Analyse zum Ukraine-Krieg

"Böses Spiel" – Reisner rechnet mit Putin-Eskalation

Bundesheer-Oberst Markus Reisner sieht keine Zeichen einer Entschärfung des Ukraine-Kriegs, im Gegenteil. Er deckt dazu das "böse Spiel" Chinas auf.
Newsdesk Heute
09.04.2025, 21:50

Weiter wird an der ukrainischen Front verbissen gekämpft. Im Moment verhindert die Schlammperiode Vorstöße mit schwerem Gerät, doch Wladimir Putins Armee bereitet sich schon auf eine neue Frühjahrsoffensive vor.

"Wir sehen entlang der gesamten Front, dass die Russen zwar langsamer vormarschieren, aber der Druck nach wie vor groß ist", fasst Oberst Markus Reisner die aktuelle Lage auf "ntv" zusammen. Er rechnet mit "massiven Angriffe" an für die Russen günstigen Stellen der Front.

Entgegen all der Ankündigungen eines möglichen Waffenstillstandes vor allem hinsichtlich der Energieinfrastruktur sei keine Abnahme der Angriffe zu beobachten. "Wir sehen auch nicht, dass es zu dieser Waffenruhe im Schwarzen Meer kommt." Alleine im vergangenen Monat hätten die Kreml-Schergen 4.200 weitreichende Drohnenangriffe gestartet, dazu noch massive Angriffe mit Marschflugkörpern. Auch Gleitbomben-Attacken würden weiter die ukrainische Verteidigung zermürben.

"Klares Indiz für Eskalation"

Dass Putin nun 160.000 junge Rekruten, sogenannte "Kontraktniki", anstatt der üblichen 100.000 einberuft, sei "ein klares Indiz, dass es nicht zu einer Deeskalation des Konflikts kommt, sondern eher zu einer Eskalation." Laut ukrainischen Angaben sollen die Russen derzeit rund 650.000 bis 700.000 Mann an der gesamten Frontlinie im Einsatz haben. Das ist ein Vielfaches von den etwa 180.000 Soldaten, die im Februar 2022 einmarschiert sind.

"Das zeigt, dass trotz der hohen Verluste – und die sind enorm auf russischer Seite – es zu einem steten Zuwachs von Personal kommt", konstatiert der Militäranalyst. Derweil hätten die Ukrainer deutlich Probleme mit der eigenen Mobilisierung. Die Verfügbarkeit von Soldaten sei derzeit die "größte Herausforderung" auf der taktisch-operativen Ebene. Einige Verbände seien bereits auf weniger als Hälfte ihrer vorgegebenen Größe zusammengeschrumpft. "Wenn man das auf das Gelände der langen Front umlegt, kann man sehen, dass Lücken entstehen. Und durch diese Lücken können die Russen vorstoßen, weil sie mehr Kräfte haben."

Oberst Markus Reisner leitet seit 1. März 2024 das Institut für Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt.
Bundesheer/Kristian Bissuti

Chinesen in Putins Reihen

Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte erst am Dienstag die Gefangennahme zweier mutmaßlicher chinesischen Soldaten an der Front bekanntgegeben. Knapp 160 chinesische Staatsbürger sollen derzeit in den Reihen Putins kämpfen.

Diese Entwicklung beobachtet Reisner mit Argusaugen: "Hier ist klar zu sagen, dass Russland diesen Krieg nicht alleine führt." Es sei deshalb irreführend, wenn in Analysen nur die russische Wirtschaft oder Wehrfähigkeit mit jener der westlichen Unterstützer verglichen werde.

China betreibt "böses Spiel"

"Das ist auch meiner Sicht viel zu kurz gedacht, denn Russland wird von seinen Verbündeten aus dem globalen Süden – China, Indien, Nordkorea oder Iran – massiv unterstützt." Diese seien im Vergleich mit den NATO-Staaten, offensichtlich "die besseren Verbündeten" und das zeige sich schlussendlich in der Lageentwicklung an der Front.

China habe aus strategischer Sichtweise durchaus ein Interesse an der Verlängerung dieses Konflikts, weil dadurch die Aufmerksamkeit der USA und NATO auf der Ukraine liege, mahnt der österreichische Offizier. "Kommt es zu einer Befriedung des Konflikts in der Ukraine, kann die USA – und das hat Trump angekündigt und wir sehen, dass die Amerikaner Vorbereitungen treffen – sich China zuwenden. Das möchte China vermeiden, denn dann wäre es unter Druck und müsste sich mit den Amerikanern direkt entsprechend auseinandersetzen."

"Damit liegt auf der Hand, dass China auf der einen Seite versucht, gute Miene zu machen, aber doch im Hintergrund ein böses Spiel betreibt. Es hat kein Interesse daran, dass dieser Konflikt schnell endet", schärft Reisner nach und mahnt: "Sie werden natürlich immer das Gegenteil hören, Sie werden auch von chinesischen Friedensinitiativen hören."

Putin wird nicht aufhören

Die Lage bei den unregelmäßig stattfindenden Verhandlungen zwischen ukrainischen, russischen und US-amerikanischen Vertretern vergleicht Reisner mit einem Pokerspiel: "Da ist oft entscheidend, wer als erster zuckt. Damit weiß das Gegenüber, dass es sich in einer dominanten Rolle befindet." Und die Amerikaner haben gezuckt.

Wladimir Putin weiß, dass Donald Trump alles daran setzen will, den Krieg zu beenden. "Damit ist der Preis, den die Russen verlangen, ein sehr hoher." Und genau das zeige sich auch in den aktuellen Vorstoßbewegungen der russischen Armee in der Ukraine. Ein Ende des Krieges scheint daher nicht näher, sondern in immer weitere Ferne zu rücken.

{title && {title} } red, {title && {title} } 09.04.2025, 21:50
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