In Österreichs Handel zeichnet sich eine bedenkliche Entwicklung ab: "Die Gewalt nimmt spürbar zu", warnt die Gewerkschaft GPA bei einem Pressegespräch am Montag. Eine aktuelle Umfrage unter 1.514 Handelsangestellten hat gezeigt, dass Gewalt am Arbeitsplatz längst keine Randerscheinung mehr ist, sondern schon Teil des beruflichen Alltags. Besonders im Kundenkontakt kommt es zu immer mehr Grenzüberschreitungen.
"Unser Betriebsratsteam musste in den letzten Jahren leider feststellen, dass der Umgangston mit unseren Kolleginnen viel, viel rauer geworden ist und die Gewaltbereitschaft steigt. [...] Was uns unsere Kolleginnen und Kollegen tagtäglich erzählen, ist nicht nur eine Statistik – das ist gelebte Realität im Handel. Wenn eine Mitarbeiterin von einem Kunden angeschrien oder beleidigt wird, wenn sie nach einer Schicht das Gefühl hat, alleine mit dem Stress zu sein, dann ist das nicht hinnehmbar", gibt Rewe-Betriebsrätin Sabine Grossensteiner Einblick.
Beinahe jeder zweite Befragte wurde bereits verspottet, beschimpft oder tätlich angegriffen. Rund 8,4 Prozent mussten sowas alleine im vergangenen Jahr erleben. Auch sexuelle Belästigung vor allem gegenüber den weiblichen Mitarbeiterinnen ist keine Seltenheit. 40 Prozent der weiblichen Beschäftigten sind mit anzüglichen und diskriminierenden Witzen konfrontiert, jede Fünfte wurde am Arbeitsplatz schon einmal verbal sexuell belästigt. Vier aus 100 wurden Opfer von sexuellen Übergriffen.
„Wer einkaufen geht, hat keine Lizenz Beschäftigte respektlos zu behandeln.“Barbara TeiberGPA-Vorsitzende
Außerhalb ahnt kaum jemand, was sich in den Märkten teilweise abspielt: "Da gibt es mittlerweile so Aktionen, wo sich einfach mehrere Männer in kleinen Gruppen in eine Filiale stellen und dann auch wirklich provokativ die Mitarbeiterinnen und Kolleginnen beobachten, über sie sprechen, teilweise in einer anderen Sprache, auch vorbeigehen und so am Popsch vorbeistreichen – also unsere Kolleginnen wirklich sexuell belästigen", wird Grossensteiner durch die "Kronen Zeitung" zitiert. Auch nehmen Vorfälle mit TikTok-Usern zu, die filmend in Filialen kommen, um vorrangig Mitarbeiterinnen mit doppeldeutigen Fragen im Internet bloßzustellen.
Obendrauf kommen noch vermehrt bewaffnete Überfälle und zunehmend gewaltbereite Ladendiebe. Mitarbeiter würden bespuckt, Schlägereien an der Kassa ausbrechen, berichtet GPA-Vorsitzende Barbara Teiber fassungslos: "Wer einkaufen geht, hat keine Lizenz Beschäftigte respektlos zu behandeln. Wer Menschen im Handel anschreit, beleidigt oder bedroht, überschreitet eine Grenze – nicht nur rechtlich, sondern auch menschlich. Respekt ist das Mindeste, das jene verdienen, die täglich für andere da sind."
Sie appelliert daher an die Handelskonzerne, sich schützend hinter ihre Mitarbeiter zu stellen und nicht "Kunden, die sich wirklich unmöglich aufführen" nach einer etwaigen Beschwerde bei höherer Stelle auch noch mit Gutscheinen zu belohnen.
Zudem solle auch bei der Raumplanung der Filialen auf den Schutz der Beschäftigten geachtet werden. Enge Gänge oder zu kleine Kassabereiche würden Kunden ungewollt in Stresssituationen bringen. Eine Entschärfung solcher "Gefahrenzonen" sei "unbedingt notwendig".