Vernichtende Kritik

Behörden starten Ermittlungen gegen Energieversorger

In ihrem Abschlussbericht zum Energiemarkt üben BWB und E-Control Kritik an der Branche – und kündigen Ermittlungen wegen Marktmissbrauchs an.
Team Wirtschaft
25.06.2025, 08:25
Loading...
Angemeldet als Hier findest du deine letzten Kommentare
Alle Kommentare
Meine Kommentare
Sortieren nach:

Kommentare neu laden
Nach oben

Wettbewerb? Kaum vorhanden. Die großen Player am Markt? Allesamt kaum nachvollziehbar miteinander verflochten. Die Preise? Zu hoch und undurchsichtig. Interesse an Veränderungen? Nicht vorhanden, im Gegenteil – es wird, wo immer möglich, geblockt.

"Kein funktionierender Wettbewerb"

In ihrem Abschlussbericht übt die gemeinsame Taskforce von E-Control und Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) massive Kritik an den großen Strom- und Gasversorgern. Man habe jetzt in Österreich 24 Jahre Liberalisierung, sehe aber nach wie vor keinen funktionierenden bundesweiten Wettbewerb, ärgern sich BWB-Chefin Natalie Harsdorf und E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch im Talk mit Journalisten.

Große Unternehmen beherrschen den Markt

Das sei vor allem deshalb überraschend, weil Österreich rein geografisch kein riesiges Territorium umfasse. Und dennoch hätte man regional marktbeherrschende Unternehmen mit Marktanteilen von 68 bis fast 100 Prozent, "die im Wesentlichen in diesen Gebieten agieren und sich bundesweit keinen Wettbewerb liefert" – und zwar zum Nachteil aller Konsumenten.

Undurchsichtige Eigentumsverhältnisse

Massiv wettbewerbshemmend und damit preistreibend sei zudem laut Harsdorf und Urbantschitsch das "ganz, ganz dichte Netz an direkten und indirekten Beteiligungen in unterschiedlicher Höhe zwischen den Energielieferanten", die selbst für die Behörden nur schwer zu durchschauen gewesen seien. Verschärfend kämen die Beteiligungen von Bund und Ländern hinzu, die den Versorgern erheblichen politischen Einfluss bescherten.

Präsentation des Taskforce-Abschlussberichts: BWB-Chefin Natalie Harsdorf, E-Control-Vorstand Wolfgagn Urbantschitsch.
HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Nur wenige wechseln trotz hoher Preise Anbieter

Ebenfalls erhoben – aktuell gibt es in Österreich 37 Strom- und 14 Gasanbieter, deutlich weniger als noch vor der Krise. Noch merklich über Vorkrisenniveau liegen hingegen die Preise – auch wenn sie zuletzt gesunken sind. Was laut dem Bericht in diesem Zusammenhang auffällt: Trotz der teilweise hoher Kostenbelastung wechselten im Vorjahr nur 4,5 Prozent der Strom- und sechs Prozent der Gaskunden den Anbieter. Das sind erheblich weniger als etwa in Italien mit 18 Prozent (Strom) bzw. 13 Prozent (Gas).

Jahresabrechnungen "absurd"

Für "das hohe Maß an Inaktivität" machen Harsdorf und Urbantschitsch vor allem die Intransparenz aufgrund der jährlichen Abrechnung verantwortlich. Das sei so, als würde man die Semmel beim Bäcker nicht täglich, sondern in Teilbeträgen bezahlen, so Urbantschitsch. "Stellen Sie sich das vor, der Bäcker sagt Ihnen, Sie zahlen im Monat, sagen wir mal, 70 Euro, und abgerechnet wird nach einem Jahr. Und nach einem Jahr sagt er Ihnen dann, der Getreidepreis ist gestiegen. Das heißt, Sie müssen nachzahlen. Umgekehrt kann es sein, Sie haben weniger Semmeln geholt und Sie bekommen Geld zurück."

Kaum jemand blickt beim Preis durch

So absurd dieses Beispiel sei, "es würde natürlich nie jemandem einfallen, das so zu machen für ein Gut, das täglich benötigt wird. Aber beim Strom haben wir das nach wie vor so". Das größte Problem dabei sei: Mit einer Jahresabrechnung würden Kunden buchstäblich im Dunkeln gelassen, weil sie nicht wüssten, wie viel sie tatsächlich für die Kilowattstunde bezahlten. Damit gäbe es auch keine Möglichkeit, zu reagieren.

Forderung nach monatlicher Abrechnung

BWB und E-Control fordern deshalb die Einführung einer monatlichen Abrechnung. Es gebe "keinen sachlichen Grund mehr, warum man noch immer im Haushaltsvertragsbereich die Jahresabrechnung hat", so Urbantschitsch. Auch sei es nicht mehr nachvollziehbar, "warum sich die Energiewirtschaft mit Händen und Füßen gegen eine solche standardmäßige Monatsabrechnung wehrt". Mittlerweile habe er den Eindruck, "dass es gar nicht um irgendwelche administrativen Themen geht, sondern dass diejenigen, die gegen die monatliche Stromabrechnung sind, in Wahrheit den Wettbewerb fürchten".

Transparente Preisgestaltung

Eine weitere Empfehlung im Abschlussbericht betrifft die verständliche Produktgestaltung: Was ist der Grundpreis, was kostet die Kilowattstunde Strom bzw. Gas, wie hoch ist der Gewinnaufschlag? Das soll Produkte einfacher vergleichbar machen. Zudem sollten Energieanbieter in Krisenzeiten die Margen offenlegen müssen. Damit sollen Auswüchse wie zuletzt verhindert werden. Da sei es ja so gewesen, "dass sich einfach die Marge im selben Ausmaß verdreifacht, vervierfacht hat, wie die Großhandelspreise".

Gerechtere Verteilung der Netzkosten

Ebenfalls eingefordert wird eine Entflechtung der undurchsichtigen "Kreuzbeteiligungen im Energiesektor" bzw. zumindest ein Stopp. Daneben sollte die Verteilung der Netzkosten fairer gestaltet werden. Da gehe es darum, "dass nicht alle die Haushalte zu tragen haben". Und, eine weitere Anregung: Anhand der aberhunderten Beschwerden über Energieversorger solle eine "Blacklist" erstellt werden – also, was geht, was ist Kunden gegenüber ein absolutes No-Go.

Behörden leiten Ermittlungen ein

Was nach dem Taskforce-Aus nun ansteht: In den nächsten Tagen werden man "an eine relativ große Anzahl von Unternehmen Auskunftsverlangen versenden", also Verfahren vorbereiten. Bei diesen Ermittlungen geht es laut E-Control und BWB unter anderem um mögliche Verstöße gegen das Kartellrecht, also um das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Ob schlussendlich auch Klagen folgen – noch offen.

{title && {title} } tmw, {title && {title} } Akt. 25.06.2025, 08:41, 25.06.2025, 08:25
Jetzt E-Paper lesen