Zierfuß im Interview

"Hälfte kann kein Deutsch" – ÖVP warnt vor Schul-Chaos

Chaotische Zustände in der Bildungsdirektion, überfüllte Klassen, überbordende Sozialkosten. Im "Heute"-Interview schlägt Harald Zierfuß (ÖVP) Alarm.
Hannah  Maier
25.08.2025, 05:30
Loading...
Angemeldet als Hier findest du deine letzten Kommentare
Alle Kommentare
Meine Kommentare
Sortieren nach:

Kommentare neu laden
Nach oben

Lehrermangel, Schülerinnen und Schüler mit unzureichenden Deutschkenntnissen und die Mindestsicherung als "soziale Hängematte": Im "Heute"-Interview spricht Harald Zierfuß, Klubobmann und Bildungssprecher der Wiener Volkspartei, die großen Probleme in der Stadt an. "Es gibt extrem viele Missstände", sagt er.

Personalnot in Wiener Schulen

Hunderte Lehrer fehlen in Wien – selbst kurz vor Schulstart gibt es noch nicht an allen Standorten ausreichend Personal. Im vergangenen Jahr habe man festgestellt, dass in manchen Wochen bis zu 150 Lehrer kündigen. Das liege vor allem an den Arbeitsbedingungen, so Zierfuß.

"Auf der einen Seite müssen wir dafür sorgen, dass Lehrerinnen und Lehrer die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Da geht es auch um die Bildungsdirektion. Diese Behörde ist in Wien so chaotisch aufgestellt, dass nicht einmal jemand abhebt, wenn Lehrerinnen und Lehrer anrufen, dass Dienstverträge nicht abgeschlossen werden und, dass monatelang falsche Gehälter ausgezahlt werden." Außerdem brauche es bessere Arbeitsbedingungen in den Schulen: "Ein großes Thema sind die enorm großen Klassengruppen und auch der Umstand, dass mittlerweile die Hälfte der Schulanfänger nicht einmal mehr Deutsch kann."

Das ganze Interview im Video

"Lehrer laufen davon"

Die Stadt setzt verstärkt auf Quereinsteiger im Bildungsbereich. Diese Maßnahme sieht Zierfuß eher als vorläufige Unterstützung. Denn das Hauptproblem sei, "dass uns die Lehrer, die wir haben, davon laufen."

Ähnlich sei es in den Kindergärten. "Wir sehen ganz klar, dass es genug ausgebildete Fachkräfte gäbe. Aber nur ein Viertel davon geht wirklich in den Kindergarten." Elementarpädagogen werden teilweise von Volksschulen abgeworben. "Dass es attraktiver ist, aus dem Wiener Kindergarten zu gehen, spricht schon Bände. Da muss man als Arbeitgeber etwas tun."

Haus, Baum, Brot – Kinder können kein Deutsch

Deutschdefizite bei Wiens Schulanfängern sind ein Problem. Von 22.000 Kindern im vergangenen Schuljahr konnte fast die Hälfte nicht ausreichend Deutsch, um den Lehrer zu verstehen. "Wir haben zum einen kaum Deutschförderkräfte: Es sind in etwa 300 Vollzeit-Äquivalente auf 20.000 Kinder mit Deutschproblemen – also mehr als 80 Kinder pro Deutschförderkraft. Kein Wunder, dass das nicht funktioniert." Außerdem würde die Stadt in Kindergärten nicht ausreichend kontrollieren, wie dort Sprachförderung stattfindet.

Harald Zierfuß fordert bessere Arbeitsbedingungen in Wiens Kindergärten und Schulen.
Sabine Hertel

Zierfuß begrüßt das angekündigte zweite verpflichtende Kindergartenjahr, aber: "80 Prozent der Schüler mit Deutschproblemen waren länger als zwei Jahre im Kindergarten. Das heißt, dass dieses zweite verpflichtende Kindergartenjahr das Problem nicht lösen wird. Wir brauchen Besuchszeitpflichten für Kinder, die nicht Deutsch können."

Gewalt in Schulen

Hinschauen und nicht wegschauen heißt es auch beim Thema "Gewalt an Schulen". Zierfuß fordert unterstützendes Personal für Lehrerinnen und Lehrer, Assistenzkräfte und Schulsozialarbeiter. Die NEOS hätten ihr Versprechen, an jeder Schule einen Sozialarbeiter einzusetzen, nicht gehalten.

"Dass hier Lehrerinnen und Lehrer alles ausbaden müssen, was diese Stadtregierung an Unterstützungspersonal nicht hergibt, ist eine Zumutung und führt natürlich auch dazu, dass sich Lehrerinnen und Lehrer alleine gelassen fühlen. Natürlich sind die Leidtragenden auch Schülerinnen und Schüler, die keine Unterstützung bekommen." An Schulstandorten, an denen es "als letzte Maßnahme nötig ist", müsse man in Zukunft auch über Securitys reden.

Faire Mindestsicherung – aber wie?

Woran man in Wien auch arbeiten müsse, sei das Modell der Mindestsicherung – "wo ja wirklich niemand da draußen versteht, wie eine Familie 9.000 Euro netto an Sozialleistungen bekommt." Viele Menschen würden wegen der hohen Beträge nach Wien kommen. Das sei ein großes Problem. Der Grund: Die Stadt zahle in vielen Bereichen mehr aus, als andere Bundesländer.

Vor allem die Sozialleistungen für subsidiär Schutzberechtigte sollen angepasst werden. Im Vergleich zu Wien wird ihnen in anderen Bundesländern die Grundversorgung ausgezahlt. "Da geht es oft um das doppelte oder dreifache Geld, das man hier in Wien bekommt. Kein Wunder, dass man dann hierherkommt."

"SPÖ lässt arbeitende Menschen im Stich"

Für Zierfuß gebe es in dieser Angelegenheit nichts mehr zu evaluieren, sondern es brauche eine Reform – und zwar jetzt. "Die Kosten der Mindestsicherung sind explodiert – von 700 Millionen auf 1,2 Milliarden in den letzten fünf Jahren, also haben wir hier fast eine Verdoppelung. Das kann nicht der richtige Weg sein. Das führt zu enormen Problemen, Stichwort Deutschförderung und Kriminalität. Die SPÖ lässt hier Menschen, die arbeiten, gehen im Stich und verlässt sich mehr auf Leute, die auf Sozialleistungen aus sind. Das finden wir ungerecht."

Zufrieden mit dem Kurs der ÖVP?

Nach der Wien-Wahl hat sich die Wiener ÖVP personell neu aufgestellt. Man entschied sich für Markus Figl als neuen Landesparteiobmann. Figl sei ein großartiger Parteiobmann, der ein klares Ziel für die Stadt verfolge, meint Zierfuß. Mit dem aktuellen Kurs der ÖVP sei er zwar grundsätzlich zufrieden, aber man müsse sich künftig bemühen, wieder mehr Menschen zu überzeugen. Die vergangene Wahl sei ein klares Signal gewesen, dass man als Partei etwas verändern müsse.

Bei der SPÖ würde man das Gefühl bekommen, "dass die ein bisschen dahin regiert. Es passiert irgendwie nicht wirklich etwas; es wird irgendwie schlechter. Wir können es uns in Wien nicht leisten, bei all diesen Problemen einfach wegzuschauen."

{title && {title} } HTM, {title && {title} } 25.08.2025, 05:30
Jetzt Abendausgabe lesen