"Ich hielt hin, um ihn nicht zu enttäuschen", schreibt Leserin Sarah. Sie hatte mehrmals sogenannten Verlegenheitssex. Also Sex, auf den man eigentlich keine Lust hat. Dabei geht es nicht um Zwang oder Übergriffigkeit. Es geht um Situationen, in denen man aus eigenem inneren Druck Ja sagt, obwohl man Nein meint.
Typische Gründe dafür sind: Man will niemanden enttäuschen. Man hat das Gefühl, "man müsste jetzt". Man traut sich nicht, Nein zu sagen. Man hofft, Konflikte zu vermeiden oder Harmonie zu halten. Verlegenheitssex hatten auch Leserinnen und Leser der 20-Minuten-Community:
Sarah spricht offen über jahrelangen Sex, den sie aus Rücksicht gehabt habe. "Für mich passte es vielleicht jedes fünfte Mal", schreibt sie. Zeitweise habe sie das Thema Sexualität "regelrecht verflucht", weil es so dominant gewesen sei. Heute habe sich viel verändert: "Wir haben nur noch Sex mit meiner ausdrücklichen Zusage. Er hat gelernt, sich nicht darüber zu definieren oder sich nicht ungeliebt zu fühlen."
Dominik zeigt, dass Verlegenheitssex kein reines Frauenthema ist: "Auch als Mann kommt man nach 10 bis 12 Stunden Arbeit nach Hause und ist kaputt", schreibt er. Trotzdem gebe er oft nach, raffe sich auf und erfülle die Bedürfnisse seiner Partnerin. Für sich habe er das rationalisiert: "Happy wife – happy life".
Benjamin sieht es pragmatisch: "Ich hatte auch schon Sex mit meiner Frau, obwohl ich keine Lust hatte", schreibt er. Trotzdem habe er sich gesagt: "Solange es mir nicht schadet, sehe ich keinen Grund, Nein zu sagen." Es gehe darum, der Person, die man liebt, eine Freude zu machen – auch wenn es sich nicht ideal anfühle.
Auch Marina* kennt das Gefühl: Nach zwei Jahren Beziehung sei ihre Lust stark zurückgegangen – wegen früherer Erfahrungen und regelmäßiger Schmerzen. "Das führte genau zu diesem Verlegenheitssex", schreibt sie. Obwohl sie darüber gesprochen hätten, habe sie sich immer mehr unter Druck gesetzt. "Irgendwann fiel ich während des Sex in eine Art Schockstarre und begann zu weinen."
Das sei der Moment gewesen, in dem sie Hilfe bei einer Sexualtherapeutin suchte. Dort habe sie gelernt, dass Lust nicht einfach passiert. "Man muss gemeinsam herausfinden, was einen erregt." Heute habe sie selten spontane Lust, ihr Partner wisse aber, wie er sie erregen könne. "Seitdem läuft unser Sexleben ausgezeichnet."
Stefania spricht über Erschöpfung und Mental Load: "Unser Alltag ist turbulent und laut, abends bin ich wirklich k.o.", schreibt sie. Wirkliche Lust habe sie vielleicht an fünf Tagen im Monat, wie sie erzählt. Trotzdem gebe sie oft nach. "Einfach um keine Diskussion einzugehen und mich nicht erklären zu müssen." Der mentale Druck belaste ihre Libido zusätzlich.
Fritz erinnert sich zurück: "Auch Mann ist manchmal zu schwach, um Nein zu sagen." Er habe mehrmals Sex gehabt, obwohl er keine Lust verspürt habe – aus Angst, jemanden zu enttäuschen. Rückblickend habe ihn das jahrelang beschäftigt. Er schreibt außerdem, dass er die vielen One Night Stands bereue.
Ruedi beschreibt Verlegenheitssex als Strategie, um die Beziehung zu sichern: "Oft habe ich keine Lust, da ich viel und hart arbeite", schreibt er. Trotzdem sage er Ja, um seine Partnerin nicht zu verlieren. "Ich habe dann geschaut, dass ich schnell komme, damit der Sex möglichst rasch vorbei sei." Genuss sei dabei zweitrangig gewesen.