Kunden schreien & beleidigen

"Ich schwöre, du bist unfähig!" – Wut im Handel-Alltag

Markus P. wurde als Verkäufer in Wien regelmäßig angeschrien und beleidigt. "Heute" erzählt er, wie kaputt der Umgangston im Handel geworden ist.
Christoph Weichsler
25.06.2025, 07:30
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Markus P. (29) hat im Wiener Einzelhandel viele Jahre gearbeitet. Doch irgendwann war Schluss. Nicht wegen der Bezahlung, nicht wegen der langen Stehzeiten – sondern wegen der Menschen. Oder besser gesagt: wegen der Art, wie sie mit ihm umgingen.

"Ich hab mich bemüht, wirklich. Ich hab versucht, jeden Kunden zu beraten, auch wenn ich schon komplett überfordert war. Aber es wurde immer schlimmer. Einmal hat mich ein Kunde wutentbrannt angeschrien: 'Ich schwör, du bist unfähig!' – weil ich ihm nicht sofort sagen konnte, ob wir noch eine bestimmte Schuhgröße haben. Ich war gleichzeitig für drei andere Kunden zuständig."

Weniger Personal – mehr Frust

Was Markus beschreibt, ist längst Alltag im Handel. Nach der Pandemie wurde das Personal in vielen Geschäften reduziert – doch die Kunden blieben, der Druck stieg. "Wir waren früher sechs auf der Fläche – dann nur noch zwei. Und du hast gespürt, wie die Stimmung gekippt ist. Viele Kunden haben jede Kleinigkeit persönlich genommen."

Die Folge: Beschimpfungen, Wutausbrüche, verbale Entgleisungen. "Mir wurde der Einkauf hingeworfen, Leute haben mich ausgelacht oder mich absichtlich unterbrochen, während ich gerade jemand anderen beraten habe. Das war keine Ausnahme, das war Routine."

"Man ist nur noch ein Ventil für den Frust anderer"

Markus sagt, er sei oft mit einem Gefühl der Ohnmacht nach Hause gegangen. "Ich war am Boden zerstört. Du gibst dein Bestes – und wirst trotzdem behandelt, als wärst du nichts wert." Viele Kollegen hätten ähnliche Erfahrungen gemacht, aber kaum jemand rede darüber. "Es ist, als wär das Teil des Jobs geworden – dass man sich anschnauzen lässt. Aber das darf nicht sein."

GPA schlägt Alarm – aber nichts passiert

Laut einer Umfrage der Gewerkschaft GPA wurde fast jeder Zweite im Handel bereits beschimpft oder bedroht. Die Gewerkschaft fordert psychologische Unterstützung, mehr Schutzmaßnahmen und klare Regeln für Arbeitgeber.

Doch die Wirtschaftskammer hält dagegen: Die Forderungen seien nicht umsetzbar, der Großteil der Handelsangestellten sei laut einer anderen Studie zufrieden.

Für Markus ist das mehr als nur realitätsfern – es ist blanker Hohn. "Die Wirtschaftskammer sagt, wir seien eh zufrieden. Aber das zeigt nur, wie wenig sie verstanden haben. Ja, viele sagen das vielleicht – weil sie resigniert haben. Aber in Wahrheit funktionieren wir nur noch. Viele machen den Job mit angezogener Handbremse, weil sie sonst daran zerbrechen."

"Wenn du täglich angeschrien wirst, macht dich das kaputt"

Heute arbeitet Markus nicht mehr im Handel. Er hat gewechselt – nicht, weil er es wollte, sondern weil er musste. "Ich wollte den Glauben an Menschen nicht verlieren. Aber irgendwann reicht’s einfach."

Trotzdem meldet er sich bei "Heute", um seine Geschichte zu erzählen. "Weil ich weiß, dass es vielen genauso geht. Und weil endlich jemand zuhören muss."

{title && {title} } CW, {title && {title} } Akt. 25.06.2025, 07:34, 25.06.2025, 07:30
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