"Dramatische" Entwicklung

Katastrophe in unseren Wäldern könnte alles verändern

Die Erderwärmung verändert Österreichs Wälder. Sie stoßen bereits mehr CO2 aus, als sie aufnehmen. Damit fällt eine wichtige Klimawandel-Strategie.
Roman Palman
18.05.2025, 07:08
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Schweizer Forscher hatten bereits 2023 Alarm geschlagen. In einem mehrere Jahre andauernden Feldversuch im Sierra Nevada National Forest in Kalifornien mussten sie feststellen, dass die Erderwärmung den Abbau des Humus im Waldboden beschleunigt. Dadurch wird nicht nur bereits gespeichertes CO2 wieder freigesetzt, der Boden verliert auch seine so wichtige Funktion als natürliche Kohlenstoffsenke.

"Bisher ging man davon aus, dass damit CO2 im Boden zurückgehalten werden kann", so Michael Schmidt, UZH-Professor für Geographie und Autor der Studie damals: "Wenn sich diese ersten Beobachtungen auch in längerfristigen Feldexperimenten bestätigen, hätte das erschreckende Konsequenzen."

Eine bisherige Schlüsselstrategie im Kampf gegen die globale Erwärmung würde dadurch in sich zusammenbrechen, der Wald vom Rettungsanker zum Risiko werden. In Österreich passiert das bereits.

Waren die heimischen Wälder noch vor Jahrzehnten zuverlässige Kohlenstoffsenken, hat diese Fähigkeit in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen. Seit 2018 wird das Gegenteil beobachtet: Unsere Wälder geben teilweise mehr CO2 in die Atmosphäre ab als sie aufnehmen. Der bisherige Höhepunkt wurde laut jährlicher Treibhausgas-Inventur 2023 mit circa 5,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent erreicht.

Massive Verschiebung erwartet

"Die Hauptursache für diesen Trend ist die Veränderung der Biomasse und des Bodenkohlenstoffbestands in Waldgebieten", hält das Umweltbundesamt fest. Senior Scientist Peter Weiss erklärt gegenüber dem "Standard": "Höhere Temperatur beschleunigt den Abbau und die Veratmung organischen Materials im Boden. Der Waldboden war 2023 eine deutliche Quelle."

Und es wird noch schlimmer: "Die Erwärmung des Klimas mit einhergehenden Kalamitäten kann die Senkenleistung in Zukunft weiterhin massiv beeinflussen." Trockenheit schwächt das Wachstum der Bäume, wodurch sie weniger CO2 aufnehmen. Schädlinge wie der Borkenkäfer und die an Intensität zunehmenden Unwetter hinterlassen riesige Mengen Schad- und Fallholz.

Das Problem ist nicht auf Österreich beschränkt: Im Bild ein zerstörter Nadelwald in der Hohen Tatra in Brzegi, Polen.
IMAGO/

"Sehr schwieriger und dramatischer Umstand"

Die Implikationen sind enorm: "Wir sind immer davon ausgegangen, dass wir unsere Emissionen um 95 Prozent reduzieren und die letzten fünf Prozent über die Senken im Wald ausgleichen können", sagt WWF-Klimaexperte Karl Schellmann zum "Standard": "Wenn der Wald kein CO2 mehr aufnimmt, sondern selbst zum Emissionsfaktor wird, ist das für die gesamte Klimarechnung ein sehr schwieriger und dramatischer Umstand."

Denn nicht überall, etwa in der Zementherstellung, kann der CO2-Ausstoß vermieden werden. Die Klimapolitik der EU verlässt sich auf die Senkenwirkung der Wälder, um die Pariser Klimaziele zu erreichen – und ist dadurch wohl zu kurz gegriffen.

Klimaforscher Daniel Huppmann vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA), der am bald erscheinenden "Zweiten Österreichischen Sachstandsbericht Klimawandel" mitwirkt, unterstreicht: "Der Verlust der Senkenwirkung zeigt klar, dass wir die Ambition bei den Emissionsreduktionen in Verkehr, Gebäude und Industrie noch stark erhöhen müssen, um unser Ziel der Klimaneutralität zu erreichen."

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