Neues Worst-Case-Szenario

Schlimmster Sonnensturm aller Zeiten ändert alles

In den Alpen haben Forscher Spuren des stärksten Sonnensturms aller Zeiten entdeckt. Ein solcher wäre für unsere moderne Welt eine Katastrophe.
Roman Palman
16.05.2025, 14:59
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Eine extreme Spitze in der Konzentration des Kohlenstoff-Isotops 14C in den Jahresringen versteinerter Baumstämme aus den französischen Alpen lieferte den ersten Hinweis, Eisbohrkerne aus Grönland bestätigten es: Unsere Erde wurde zum Ende der letzten Eiszeit vor 14.300 Jahren von einem gigantischen Sonnensturm getroffen.

Ihre Entdeckung veröffentlichte das internationale Forscherteam bereits 2023. Darauf aufbauend haben jetzt die Wissenschaftler einen weiteren Durchbruch erzielt.

Mit ihrem speziell für die Rekonstruktion von solaren Teilchenstürmen unter eiszeitlichen Bedingungen entwickelten Chemie-Klima-Modell SOCOL:14C-Ex konnten sie nachweisen, dass das entdeckte Sonnenereignis um noch einmal fast ein Fünftel stärker war als das berüchtigte Ereignis im Jahr 775 n. Chr. Es war und ist damit mit Abstand der bisher stärkste Sonnensturm, der jemals in Baumringarchiven aufgezeichnet wurde.

"Verglichen mit dem größten Ereignis der modernen Satellitenära – dem Partikelsturm von 2005 – war das alte Ereignis von 12350 v. Chr. nach unseren Schätzungen über 500 Mal intensiver", schildert die Erstautorin der Ende April veröffentlichten Studie, Kseniia Golubenko von der finnischen Universität Oulu, die Ausmaße des "kolossalen Weltraumwettersturms".

Dramatische Isotopen-Ausschläge

Solare Teilchenstürme sind selten, aber wenn sie auftreten, bombardieren sie die Erde mit einer enormen Menge hochenergetischer Teilchen und erhöhen dadurch die Mengen von kosmogenen Isotopen wie Radiokohlenstoff in der Atmosphäre deutlich. Dies bleibt in den Jahresringen der Bäume erhalten und dient als eindeutiger kosmischer Zeitstempel.

Die versteinerten Baumreste wurden rund um einen Fluss bei Drouzet in den südfranzösischen Alpen gefunden
Bard, Edouard et al., 2023

"Das uralte Ereignis im Jahr 12350 v. Chr. ist das einzige bekannte extreme solare Teilchenereignis außerhalb der Holozän-Epoche, der letzten rund 12.000 Jahre stabilen warmen Klimas", so Golubenko weiter. Sie spricht von einem Meilenstein für die Forschung: "Unser neues Modell hebt die bestehende Beschränkung auf das Holozän auf und erweitert unsere Möglichkeiten, Radiokarbondaten auch für glaziale Klimabedingungen zu analysieren."

SOCOL:14C-Ex wurde mit den bereits bekannten Daten eines jüngeren Miyake-Ereignisses gefüttert und erfolgreich validiert. Diese dramatischen Isotopen-Ausschläge – benannt nach der japanischen Entdeckerin Fusa Miyake – bieten unschätzbare Daten für Wissenschaftler, die sowohl die Sonnenaktivität und ihre terrestrischen Auswirkungen auf alte Erdsysteme untersuchen.

"Miyake-Ereignisse ermöglichen es uns, genaue Kalenderjahre in noch unbestimmten archäologischen Chronologien (wie den Baumringen, Anm.) festzulegen", beschreibt Studien-Coautor Ilya Usoskin. Solche Radiokarbonsignale haben es Forschern bereits ermöglicht, Wikingersiedlungen in Neufundland und neolithische Gemeinschaften in Griechenland genau zu datieren. Bekannte Superflares traten etwa in den Jahren 994 n. Chr., 663 v. Chr., 5259 v. Chr. und 7176 v. Chr. auf, einige weitere Kandidaten werden derzeit noch untersucht.

Neues Wort-Case-Szenario

Was die detaillierte Untersuchung des Eiszeit-Sonnensturms durch die finnischen Forscher auch zeigt: Wir brauchen ein neues Worst-Case-Szenario für künftige Weltraumwetterkatastrophen. Diese können offensichtlich deutlich stärker ausfallen, als bisher angenommen wurde.

"Das Verständnis seines Ausmaßes ist entscheidend für die Bewertung der Risiken, die zukünftige Sonnenstürme für moderne Infrastrukturen wie Satelliten, Stromnetze und Kommunikationssysteme darstellen", betont Golubenko.

Die schönste und harmloseste Begleiterscheinung eines Sonnensturms: Polarlichter werden ungewohnt weit Richtung Äquator sichtbar.
IMAGO/NurPhoto

Denn hätte sich dieser Sonnensturm heute ereignet, wären die globalen Folgen katastrophal: "Extreme Sonnenstürme können die Transformatoren in unseren Stromnetzen zerstören und damit ausgedehnte Blackouts auslösen, deren Behebung Monate dauern könnte", hielt Tim Heaton von der University of Leeds bereits im Rahmen der 2023-Studie fest. Satelliten würden reihenweise ausfallen, unsere Navigationssysteme und Telekommunikation zusammenbrechen.

"Ein genaues Wissen dieser Vergangenheit ist essenziell, wenn wir potenzielle Risiken in unserer Zukunft vorhersagen wollen", warnt Heaton: "Hierbei haben wir noch vieles zu lernen."

{title && {title} } rcp, {title && {title} } 16.05.2025, 14:59
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