Wiener Direktorin packt aus

Kein Deutsch, dafür wird mit Hauspatschen zugeschlagen

Die Direktorin einer Volksschule am Alsergrund macht die heftigen Missstände in Wien öffentlich. Ein Drittel ihrer Kinder kann nicht mal Deutsch!
Newsdesk Heute
14.04.2025, 16:11

"In Wien ist mittlerweile jede öffentliche Volksschule eine Brennpunktschule" – mit dieser schonungslosen Feststellung lässt jetzt eine Wiener Schuldirektorin aufhorchen! Maja Zlabinger (35) leitet die öffentliche Volksschule Marktgasse am Alsergrund (9.). Selbst hier inmitten der Gründerzeitviertel kriselt es gewaltig, wie die Schulchefin, die auch Funktionärin des ÖVP-Arbeitnehmerbundes ÖAAB ist, nun in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung" enthüllt.

Für drei Viertel ihrer 170 Kinder ist Deutsch nicht die Erstsprache, 30 Prozent können gar kein Deutsch! "Wir brauchen teilweise weit bis ins erste Schuljahr, um den Eltern zu erklären, dass ihre Kinder regelmäßig in die Schule gehen müssen", schildert Zlabinger die untragbaren Zustände.

"Eltern verstehen mich nicht"

"Die Eltern verstehen teilweise nicht einmal, dass ich mit ihnen einen Termin für ein Elterngespräch ausmachen will. Wir brauchen viele Dolmetscher", sagt sie. Eine arabisch-sprechende Sozialarbeiterin unterstütze, das Chatprogramm "school fox" habe "zum Glück" eine Übersetzungsfunktion.

Der Dolmetscherdienst des Bildungsministeriums für Arabisch, Dari-Persisch oder etwa Türkisch sei eine "enorme Hilfe", koste jedoch auch "unheimlich viel Zeit" in der Organisation. Die Konsequenz: "Elternsprechtage, so wie wir sie von früher kannten, gibt es bei uns nicht mehr. Seit letztem Jahr sind das bei uns Elternsprechwochen", beklagt die Direktorin.

"Da wird mit Hauspatschen zugeschlagen"

Dazu berichtet sie von unangenehmen Gesprächssituationen mit muslimischen Vätern. Diese seien bei heiklen Themen wie Gewalt in der Schule und Mobbing "teilweise sehr laut geworden". "Aber", so hält Zlabinger fest, "ein herablassendes Verhalten oder gar Gewalt habe ich noch nicht erlebt."

Dafür gebe es immer wieder körperliche Gewalt zwischen den Kindern selbst: "Bei uns kommt es vor, dass sich Schüler schlagen. Gerade aus Syrien haben wir Kinder mit Gewalterfahrung. Da werden Hauspatschen ausgezogen und damit zugeschlagen." Brisant: "Es gibt auch Rivalitäten zwischen verschiedenen Herkunftsregionen".

Oftmals leben es die Eltern vor. Manche würden sich vor den Kindern streiten oder sogar schlagen – einige auch in der Öffentlichkeit. "Es fängt wie überall mit der Vorbildwirkung der Eltern an", betont die Pädagogin.

"Kinder kurz vor Zusammenbrechen"

Auch rund um den Ramadan sei es kritisch geworden: "Ich erlebe schwache Kinder, die sich nicht konzentrieren können. Wenn Kinder kurz vor dem Zusammenbrechen sind, rufe ich die Eltern an. Wenn die das Kind nicht abholen können, melde ich das dem Jugendamt und rufe die Polizei."

Zum Einen würden die Kinder fasten, um nicht als "Verlierer" abgestempelt zu werden, erzählt die 35-Jährige. Zum Anderen stünden die Kids unter großem Druck, die Eltern glücklich und stolz zu machen. "Die Eltern sagen, sie zwingen ihre Kinder nicht zum Fasten. Fragt man bei den Schülern nach, erzählen die aber etwas anderes."

"Das ist schwer zu akzeptieren"

Das alles zu bewältigen gleicht einer Herkulesaufgabe, doch auch in der Volksschule am Alsergrund fehlt es an Personal. Die Hälfte ihrer 23 Lehrer sei noch mitten im Studium, davon seien einige noch dazu nur Teilzeitkräfte, Unterstützung erhalte sie von zehn Freizeit-Pädagogen, schildert die Schulleiterin: "Es ist eine große Herausforderung, gutes Personal zu finden und diese Menschen dann auch zu motivieren, weiterzumachen."

Sie selbst muss auch die aufwendige Verwaltungsarbeit schultern – zulasten der pädagogischen Planung und Weiterentwicklung ihres Hauses: "Deshalb komme ich viel zu wenig zu den Dingen, die ich eigentlich gerne mache." Und wäre das nicht genug, ist auch das Budget zu knapp: "Es ist ein unglaublich schöner Beruf. Ich würde gerne für jede Klasse jedes Jahr Weiterbildungsprogramme mit externen Bildungsexperten organisieren. Aber dafür fehlt wie für so vieles schlicht das Geld. Das ist manchmal schwer zu akzeptieren."

"Definitiv zu wenig, um Deutsch zu lernen"

Doch wie kann man diese Probleme lösen? Maja Zlabinger sagt, es beginne bereits im Kindergarten. Auch dort brauche es mehr Ressourcen und Budget für Sprachförderung und Personal. Viele Kinder seien, weil sie erst deutlich nach 8 Uhr abgegeben würden, netto nur ein bis zwei Stunden pro Tag dort. Das, weil unter anderem karenzierte Mütter nur Anspruch auf Halbtagesbetreuung haben.

"Das ist aber definitiv zu wenig, um Deutsch zu lernen", weiß die Pädagogin. Ihre Ansage an die Politik: "Ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr löst dieses Problem allein nicht."

"Nur so funktioniert Integration"

Beim Schuleintritt wünscht sie sich eine bessere Verteilung samt Durchmischung der Kinder nach ihren Deutschkenntnissen durch die Bildungsdirektion. So gebe es am Alsergrund einige Schulen, die kaum Kinder mit Migrationshintergrund hätten. Gleichzeitig hätten andere Kinder, "die dem Unterricht kaum folgen können", in den Klassen sitzen.

"Das Kriterium sollte nicht allein der Wohnort sein, sondern auch der Sprachstand. Da müsste die Schulplatzvergabe in der Bildungsdirektion genauer hinschauen und für eine bessere Durchmischung sorgen. Denn nur so funktioniert Integration."

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 14.04.2025, 20:14, 14.04.2025, 16:11
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