Hunderte Schicksale

Männlich, 26.000 € Schulden – Jugendliche in Finanznot

Lockangebote auf Social Media, Ratenzahlung im Onlineshop – so schnell tappt die Jugend in die Schuldenfalle.
Victoria Carina  Frühwirth
06.06.2025, 05:15
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Noch nicht einmal mit der Schule fertig, kämpfen viele Österreicher bereits mit hohen Schuldenbergen. Während erste Erfahrungen bei Ferialpraktika oder Kellnerjobs gesammelt werden, wird der beschämte Gang zur Schuldnerberatung immer öfter Thema.

Social Media ist größte Versuchung

Es sind Hunderte traurige Schicksale: Alleine in Niederösterreich mussten im Vorjahr 400 Personen unter 25 Jahren die Dienste der niederösterreichischen Schuldnerberatung in Anspruch nehmen. Deutlicher Trend: Zwei von drei dieser Klienten sind männlich.

Im Gespräch mit "Heute" erzählt der Geschäftsführer der Schuldnerberatung Niederösterreich, Michael Lackenberger, wo die Geldnot ihren Ursprung hat: "Die meisten Schulden, die kommen wirklich durch Online-Shopping. Allein auf Social Media ist schon so, so viel Werbung, auch versteckte Werbung."

Werbung auf Instagram und TikTok würde junge Menschen viel schneller verleiten als die Werbespots im Radio oder Fernsehen, die überwiegend ältere Menschen konsumieren. Auf Social Media hätten viele Werbespots direkt Links zu den Produkten. Viele Jugendliche haben ihre Kontodaten automatisch gespeichert, so lässt sich ein Impulskauf binnen zwei Minuten abwickeln. Außerdem spielen Algorithmus gekonnt personalisierte Werbung aus, basierend auf den Modevideos oder Bastel-Clips, die jemand mit "Gefällt mir" markiert.

Onlineshops zielen auf Jugendliche ab

Lackenberger hat analysiert, wie Onlineshops aus ihrer Sicht "gut arbeiten": "Ich stell mir jetzt vor, ich bin eine junge Frau. Und ich seh´ auf Instagram so ein schönes Kleid um 250 Euro. Dann drück ich auf den Link und als guter Shop mit guten Strategien, da biete ich eine Ratenbezahlung schon an, bevor die Kundin das Kleid in den Warenkorb gibt. Als Kundin denk ich mir: Ah, schön! Das Kleid kostet dann nur 30 Euro im Monat für 8 Monate, das Geld hab ich. Und weil ich jetzt ja nur 30 Euro zahlen muss, ja, dann kann ich ja gleich die passenden schönen Schuhe auch dazukaufen, die der Onlineshop mir vorschlägt."

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Jährlich werden rund 400 Menschen unter 25 Jahren von der Schuldnerberatung Niederösterreich beraten. Lackenberger erzählt, im Vorjahr lag der Männeranteil ihrer Klienten bei 63 Prozent, obwohl immer mehr Frauen Schulden anhäufen würden – anscheinend, ohne zur Schuldnerberatung zu gehen. Im Durchschnitt steht einer der 400 Klienten mit 26.000 Euro im Minus – die Schulden dieser jungen Niederösterreicher ergeben insgesamt also 10,4 (!) Millionen Euro.

Finanzführerschein soll Geldnot lindern

Wegen dieser prekären Situation wurde 2023 ein Projekt ins Leben gerufen, das Jugendlichen zeigen soll, wie man mit Geld richtig umgeht. "Finanzführerschein" nennt sich das Gemeinschaftsprojekt von Land Niederösterreich, der Arbeiterkammer und der Schuldnerberatung.

"Das Angebot richtet sich hauptsächlich an polytechnische Schulen, an Schülerinnen und Schüler, dass die wirklich bestens vorbereitet sind für die Finanzwelt", erklärt Angela Fischer, Vizepräsidentin der Arbeiterkammer Niederösterreich im ORF.

Finanzbildung als Prävention

In fünf Modulen – davon drei im Unterricht und zwei im Selbststudium – lernen die Jugendlichen Budgetplanung, typische Konsumfallen und Sparstrategien kennen. Und die ersten Rückmeldungen zeigen: Die Bildungskampagne funktioniert.

Beim feierlichen Festakt erhielten nun weitere 153 Schüler ihr Finanzzertifikat. Damit haben bereits über 1.000 junge Niederösterreicher den Finanzführerschein abgeschlossen – mehr als 500 weitere Anmeldungen liegen für das kommende Schuljahr schon vor. Die Bildungslandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (VP) formuliert es so: "Der Finanzführerschein ist einfach eine gute Waffe, wenn man es ein bisschen martialisch ausdrückt, gegen die Verlockungen der Welt."

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