Rodungen im Schutzgebiet

Nationalpark-Skandal: Weitere Austro-Firma involviert

Rodungen im ältesten Nationalpark der Slowakei sorgen weiterhin für große Empörung. Mitten ins Schussfeld geraten dabei österreichische Holzkonzerne.
Nick Wolfinger
28.08.2025, 17:55
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Mit in Holzstapeln versteckten GPS-Peilsendern deckten slowakische Umweltschützer Anfang August auf, dass Holz aus einer Rodung im Nationalpark Hohe Tatra über einen Zwischenhändler in ein 600 Kilometer weit entferntes Sägewerk des österreichischen Holzkonzerns HS Timber geliefert wurde. Zwar sei der Verkauf des Holzes legal erfolgt, doch hätte der Nationalpark die Rodung im Auerhahn-Schutzgebiet nie genehmigen dürfen, kritisierte die Bürgerinitiative "My sme les" („Unser Wald“) – "Heute" berichtete.

Weiterer Austro-Konzern betroffen

Nun, mehrere Wochen später, erreichte auch ein zweiter GPS-Tracker sein Ziel. Dieses Mal war es das Spanplatten-Presswerk Brașov eines weiteren großen Players am europäischen Holzmarkt, dem Salzburger Konzern Kronospan. Zwar habe es sich bei der verfolgten Lieferung "nur" um morsches Holz gehandelt – allerdings soll dies laut Recherchen der slowakischen Investigativplattform Denník N aus der strengsten Schutzzone stammen.

Die Kronospan-Gruppe ist als weltgrößter Hersteller von Spanplatten in 42 Ländern mit Produktionsstandorten aktiv. Das 1897 in Salzburg gegründete Unternehmen, die eine der größten österreichischen Industriegruppen in Familienbesitz ist, gibt grundsätzlich keine Geschäftszahlen bekannt. Die Holding hat heute ihren Sitz auf Zypern. Die "Krone" zählt die Eigentümerfamilie Kaindl "zu den verschwiegendsten Industriellen Österreichs".

Holz aus strengster Schutzzone

Laut den GPS-Daten von Denník N stammte das im August 2025 an Kronospan gelieferte Holz aus dem Bielovodská-Tal, das sich im Kerngebiet des Nationalparks (Zone A) befindet. Die betroffenen Holzstapel wurden auf uns von Denník N zur Verfügung gestellten Bildern dokumentiert. Laut Nationalparkgesetz ist das Tal eine "strikte Nichteingriffszone", die höchstmögliche Schutzstufe. Das bedeutet, dass menschliche Eingriffe überhaupt nicht gestattet sind. Morsche Bäume dürften nur vereinzelt entfernt werden, sollten sie Wanderwege gefährden.

Auch sogenanntes "Totholz" darf nicht von dort abtransportiert werden, da es für viele Arten einen wichtigen Lebensraum darstellt. Zudem seien die Bäume während der Brutzeit seltener Vogelarten wie Waldkauz, Bachstelze, Schwarz- und Dreizehenspecht sowie Grasmücke geerntet worden, reiht sich der ehemalige Nationalparkdirektor Pavol Majko in die Kritik ein. Die Genehmigung zur Holzentnahme von dort hätte seiner Einschätzung nach nie erteilt werden dürfen, berichtet Denník N.

Nationalpark wie "gewöhnlicher Forstbetrieb"

Kritiker wie Majko werfen der aktuellen Führung des Nationalparks Hohe Tatra (TANAP) schon lange vor, den Wald "wie einen gewöhnlichen Forstbetrieb" zu führen und den Naturschutz zu vernachlässigen. Eine Reihe von Vorwürfen wie der Verstoß gegen EU-Auflagen zum Schutz des Auerhahnes oder Verstöße gegen das Naturschutzgesetz bei genehmigten "Sanierungsrodungen" in Schutzzonen sorgten erst am 31. Juli für den Rücktritt des damaligen TANAP-Direktors Peter Olexa.

Die mächtigen österreichischen Holzkonzerne, die das Holz über Zwischenhändler einkaufen, könnten sich daher trotz aller vorliegenden Genehmigungen nicht ganz der Verantwortung entziehen, heften sie sich doch in ihrer öffentlichen Darstellung "nachhaltige Forstwirtschaft" auf die Fahnen.

"Plünderung mit Segen der Regierung"

Doch davon kann im Nationalpark Hohe Tatra nach Ansicht vieler Kritiker schon seit Jahren keine Rede sein. Angesprochen auf die Vorwürfe behauptet die Nationalparkverwaltung, die Rodung sei als "Sanierungseinschlag" gemäß dem Forstgesetz zulässig, wie Denník N berichtet. Dass das Forstgesetz im Nationalpark jedoch dem Naturschutzgesetz nachgereiht ist, wird ausgeklammert. Bei Verstößen gegen das strikte Eingriffsverbot in Schutzzone A sieht das slowakische Naturschutzgesetz hohe Geldstrafen vor. Auch die Bürgerinitiative "Unser Wald" kritisiert die Nationalparkverwaltung heftig.

Diese morschen Holzstämme aus einer "strikten Nichteingriffszone" hätten laut Nationalparkgesetz im Wald verbleiben sollen – dennoch wurde ihr Verkauf genehmigt.
Denník N
„Dieser Wald gehört dem Staat, also den Bürgern. Es ist unglaublich, wie rücksichtslos eine staatliche Organisation unsere natürlichen Ressourcen ausbeutet“
Slowakische Bürgerinitiative "Unser Wald" auf Facebook15. August 2025

Strafanzeige angekündigt

Die liberale Oppositionspartei SaS („Freiheit und Solidarität“) fordert nun eine unabhängige Prüfung der slowakischen Staatsforste (Lesy SR), die für die Bewirtschaftung des Nationalparks Hohe Tatra zuständig sind. Sie ortet aufgrund der aufgedeckten Vorgänge "schwerwiegende Verdachtsmomente intransparenter Bewirtschaftung und bewusster Naturzerstörung" und werfen der Nationalparkverwaltung TANAP die "Plünderung der Wälder mit dem Segen der Regierung" vor. SaS-Parteivorsitzender Branislav Gröhling kündigte daher eine Strafanzeige gegen TANAP an, wie die slowakische Nachrichtenagentur TASR am 5. August berichtete und SaS-Parlamentarier Alojz Hina auf "Heute"-Anfrage telefonisch bestätigte.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die rücksichtslose Zerstörung des Waldbodens bei der Holzernte im Kerngebiet des Nationalparks, der strengsten Schutzzone, in der menschliche Eingriffe nur in besonderen Ausnahmefällen gestattet sein sollten.
Denník N

Kronospan weist Vorwürfe zurück

Zu den Vorwürfen, man würde Holz aus einer strikten Nichteingriffszone in einem Nationalpark beziehen, wollte sich Konzernsprecher Johannes Leibetseder auf "Heute"-Anfrage nicht direkt äußern. In einer uns vorliegenden schriftlichen Stellungnahme an Denník N wird jedoch betont, dass "alle Unterlagen für jede Lieferung an unser Werk in Brașov, einschließlich der offiziellen Erntegenehmigungen, sorgfältig geprüft" würden, um die "Einhaltung der Holzhandelsverordnung der Europäischen Union (EUTR) und der nationalen Gesetze sicherzustellen". Dieses Bild wird jedoch immer wieder getrübt:

Jüngste Vorwürfe gegen Kronospan (Auswahl):

Jänner 2021: Die rumänische Wettbewerbsbehörde zerschlägt ein Holzkartell aus 31 Unternehmen. Die Austro-Konzerne Schweighofer, Kronospan und Egger schließen einen Vergleich und zahlen 26,2 Millionen Euro.

Mai 2023: Laut "Profil" haben rumänische Polizisten bei der Kontrolle einer Lieferung an Kronospan festgestellt, dass die Herkunft des Holzes mit gefälschten Fotos verschleiert worden sei.

April 2024: Vorwürfe der Umgehung der Russland-Sanktionen. Kronospan bestreitet jegliches Fehlverhalten.

Oktober 2024: Die "Kronen Zeitung" berichtet online über Ermittlungen der rumänischen Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des illegalen Mülltransportes und der Fälschung von Umweltdaten. Das Unternehmen kündigte eine – bis heute ausstehende – Stellungnahme an.

Vielmehr betrachte man das Vorgehen, GPS-Tracker in Holzlieferungen zu verstecken, als "illegal", die das "falsche Bild eines Fehlverhaltens unseres Unternehmens" vermitteln würden, so Leibetseder in der Beantwortung der Anfrage von Denník N, und weiter: "Kronospan weist jegliche Versuche, unser Unternehmen als Sündenbock für innenpolitische Ziele zu missbrauchen, entschieden zurück".

Eine Frage der Verantwortung

Wie die neuen Vorwürfe zu einem "verantwortungsvollen" Holzkonzern passen, der sich selbst als "Umweltverträglichkeitsprüfer in der gesamten Holzlieferkette" bezeichnet, bleibt vorerst offen. In seiner gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung (CSR) bezeichnet Kronospan "hohe Umweltstandards" als "für uns selbstverständlich". Im Nachhaltigkeitsbericht 2022/2023 für die Slowakei bekennt sich Kronospan zur "Kreislaufwirtschaft, mit einem besonderen Fokus auf den Schutz des Waldes, der ein wesentlicher Bestandteil unseres Naturerbes ist".

{title && {title} } NW, {title && {title} } Akt. 13.11.2025, 15:23, 28.08.2025, 17:55
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