Die Armee in Großbritannien geht neue Wege: Mit der Einführung sogenannter "Non‑Religious Pastoral Officers" ("nichtreligiöse Pastoral-Offiziere", NRPO) öffnet sie sich erstmals bewusst auch Soldaten ohne religiöse Zugehörigkeit – Humanisten, Atheisten oder Agnostiker – für seelsorgerische Betreuung. Damit reagiert das Verteidigungsministerium auf die veränderte Zusammensetzung der Truppe: Immer mehr Angehörige der Streitkräfte geben an, keiner Religion anzugehören.
Die NRPOs werden Teil der bisherigen Seelsorge‑Teams, die in der Vergangenheit religiöse Chaplains (Kaplane) gestellt haben – etwa christliche, muslimische oder jüdische. Ziel: Jeder Soldat soll – egal ob gläubig oder nicht – eine Ansprechperson finden, die seine Weltanschauung teilt und existenzielle, ethische oder moralische Fragen aus neutraler Sicht begleitet.
Als erster "humanistischer Seelsorger" wurde Dr. Neil Weddell vereidigt. Er dient seit 2003 in der Armee und absolvierte mehrere Auslandseinsätze – u.a. in Afghanistan, Nigeria und Sierra Leone (unter anderem bei der Ebola‑Hilfsmission). Bevor er Seelsorger wurde, arbeitete er als Ausbilder, Führungstrainer und kultureller Berater, leitete Ausbildungseinrichtungen und war zuletzt Offizier im Rang eines SeniorMajors.
Zudem war er Co‑Vorsitzender eines Netzwerks für Humanisten und Nichtreligiöse innerhalb des Verteidigungsministeriums (Humanists and Non-Religious in Defence, kurz HAND). Damit ist er bestens vertraut mit den Anliegen der nichtreligiösen Soldaten.
Weddell selbst sagte bei seiner Vereidigung: "Ich fühle mich geehrt, Teil der Initiative des Verteidigungsministeriums zu sein, die Vielfalt im Seelsorgeteam zu vergrößern, damit sie den sich wandelnden Glaubens‑ und Weltanschauungsbedürfnissen der Dienstmitglieder besser entspricht. Mit über 55.000 Angehörigen der Streitkräfte, die sich als nicht-religiös bezeichnen, freue ich mich darauf, ihre Bedürfnisse ehrlich und authentisch zu unterstützen."
Doch die Maßnahme sorgt für Diskussionen: Kritiker sehen darin eine "Woke"-Verschiebung in einer Institution, die traditionell von religiöser Moral, Ritualen und historischen Werten geprägt war. Manche warnen davor, dass damit überlieferte Traditionen und religiöse Symbolik an Bedeutung verlieren könnten.
Der ehemalige Tory-Minister Jacob Rees-Mogg sagte, die neue Ernennung lasse die Armee lächerlich aussehen. "Wie man so schön sagt: Im Schützengraben gibt es keine Atheisten", sagte er zur britischen "daily mail". "Was zum Teufel bezweckt die Armee damit, ihren ersten humanistischen Militärgeistlichen zu ernennen?"
"In Zeiten zunehmender internationaler Spannungen, in denen sich unsere Streitkräfte auf die Möglichkeit eines Konflikts vorbereiten müssen, können wir es uns nicht leisten, dass sie einem weiteren Ausbruch von Wokeness und politischer Korrektheit zum Opfer fallen", so Rees-Mogg.
Befürworter hingegen argumentieren, die Veränderung sei längst überfällig – immer mehr Menschen in Großbritannien geben an, kein religiöses Bekenntnis zu haben. Es sei nur fair, dass auch dieser wachsenden Gruppe seelsorgerische Angebote offenstehen. Eine pluralistische Betreuung könne das Zusammengehörigkeitsgefühl und die mentale Gesundheit der Soldaten stärken.
Das Verteidigungsministerium erklärte: "Die Seelsorge wird der gesamten Truppe zuteil, unabhängig von Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung."