Protest gegen Sparmaßnahmen

"NÖ kein Vorbild" – Kundgebung vor Finanzministerium

Sozialgesetze wie in Niederösterreich oder der Steiermark dürften nicht auf den Bund ausgeweitet werden, warnen Experten und kündigen Protest an.
Aram Ghadimi
15.12.2025, 04:00
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Armutsexperten schlagen Alarm: "Die Hälfte der Sozialhilfeempfänger hat chronische Krankheiten, mehr als die Hälfte ist bereits in Pension und ein Fünftel sind Menschen mit Behinderung oder schweren psychischen Erkrankungen" – das stellt die Armutskonferenz fest und warnt vor einem "Kürzungs-Wettlauf" der Bundesländer, wie er speziell von Niederösterreich und der Steiermark vorangetrieben werde.

Für Dienstag hat das Bündnis aus über 40 sozialen Organisationen eine Kundgebung vor dem Finanzministerium in Wien angekündigt. Gleichzeitig sollen Pläne zur Verbesserung der Situation vorgelegt werden. Die Armutskonferenz fordert eine gerechtere Verteilung der aktuellen Sparmaßnahmen.

"Kein Vorbild"

Anfang November verkündete Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, "die österreichweit strengste Sozialhilfe weiter verschärft" zu haben. Die NÖ Landesregierung hatte eine Novelle des NÖ Sozialhilfe-Ausführungsgesetzes beschlossen. In Steiermark etwa soll man künftig wegen "Arbeitsverweigerung" im Gefängnis landen können. "Das kann kein Vorbild für Gerechtigkeit sein", heißt es dazu von der Armutskonferenz.

Das Problem daran: Vielfach können Sozialhilfeempfänger aus den eingangs genannten Gründen gar nicht arbeiten. "Es ist immer der gleiche alte Trick", sagt Sozialexperte Martin Schenk: "Ständig wird von Flüchtlingen oder Arbeitsunwilligen gesprochen, doch gekürzt wird dann in Wirklichkeit bei allen, bei den Behinderten und Kranken. Das kennen wir schon von der Abschaffung der Mindestsicherung in Niederösterreich."

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"Wer zahlt weniger?"

Längst laute die Frage: "Wer zahlt weniger?" Der kürzlich veröffentlichte Sozialhilfedaten-Bericht der Statistik Austria zeige, dass die Mehrheit der Betroffenen aus Alters- und Gesundheitsgründen gar nicht arbeiten kann – "und das sind nicht subsidiär Schutzbedürftige, sondern Österreicherinnen und Österreicher, die in Armut leben müssen."

"Wer den Armen das letzte Geld wegnimmt und glaubt, damit das Landes- oder gar Staatsbudget sanieren zu können, hat entweder keine Ahnung oder betreibt Populismus", sagt Schenk. Anhand von Zahlen gezeigt: Gegenwärtig entsprächen die Gesamtausgaben für Sozialhilfe nur rund 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bzw. 0,4 Prozent des Staatsbudgets. Und die viel besprochene Wiener Mindestsicherung nimmt 2 Prozent des Budgets der Stadt in Anspruch – wenig im Vergleich zu manch anderen Ausgaben.

Kundgebung am Dienstag

Gegen diese "fehlgeleitete Politik" rufen nun Vertreterinnen und Vertreter aus etwa 40 Organisationen zum Protest auf – sie haben eine "Weihnachtsaktion für ein gerechtes Budget" vor dem Finanzministerium angekündigt. Am Dienstag, dem 16. Dezember 2025, um 10.00 Uhr findet deshalb eine Kundgebung vor dem Finanzministerium, statt.

"Das Sparpaket belastet die Ärmsten viel stärker als die Reichsten", erklärt Schenk dazu. Und er rechnet vor: "Die Sparmaßnahmen belasten das Einkommen des reichsten Zehntels der Bevölkerung mit etwa 1,1 Prozent." Alle anderen zahlen mehr. "Die Sparmaßnahmen treffen das ohnehin schon geringe Einkommen der Ärmsten mit 3,3 Prozent." Gleichzeitig sei ein gefährlicher Wettlauf entstanden: "Wer ist am widerlichsten zu den Ärmsten und wer schließt am effizientesten Menschen aus?"

Sozialen Absturz verhindern

Dass sich mit Kürzungen im Sozialbereich kein Budgetloch stopfen lässt, ist aus Sicht der Armutskonferenz klar. Sie möchte im Gegenzug "Bausteine für ein Österreich ohne Armut und Ausgrenzung" präsentieren. Es gelte jetzt das Richtige zu tun: "Sozialen Absturz verhindern und eine Ausweitung der Armut vermeiden."

Ein brisantes Detail, das hierbei nur wenig Beachtung findet: Während im Mikrobereich der Sozialhilfe immer neue Verschärfungen diskutiert werden, hat sich das Vermögen der Milliardäre in Österreich alle sieben Jahre verdoppelt. Das jedenfalls zeigen Berechnungen der globalisierungskritischen Non-Profit-Organisation Attac, die dafür Daten des Magazins "Trend" der vergangenen zwei Jahrzehnte heranzog.

Und, wie ein "Heute"-Bericht aus dem Vorjahr zeigt: "In Österreich – einem der reichsten Länder der Welt – ist jedes fünfte Kind von Armut gefährdet. In Zahlen: Über 350.000 Kinder und Jugendliche wachsen so auf" – das kritisierte die Armutskonferenz bereits lange vor den aktuellen Kürzungen in den Bundesländern.

Ein zunehmendes Problem, denn die Armut nagt auch immer mehr an der sogenannten Mittelschicht: 2024 waren um rund 130.000 Menschen mehr von absoluter Armut betroffen als noch zwei Jahre davor. Heuer dürfte sich dieser Trend auch noch verstärkt haben. Für die Armutskonferenz ein untragbarer Zustand.

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