Extrem-Einsatz löste Panik aus

Polizei sprengt 277 illegale Goldbagger im Amazonas

In einer spektakulären Polizeioperation wurden hunderte Schwimmbagger im Amazonasgebiet zerstört – ohne Rücksicht auf Verluste, wird nun kritisiert.
Nick Wolfinger
04.11.2025, 14:31
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Unter dem Codenamen "Operation Boiuna" gelang der brasilianischen Bundespolizei im September ein beispielloser Schlag gegen die organisierte Umweltkriminalität. Auf dem Madeira-Fluss, einem Zubringer des Amazonas-Stroms, wurden 277 illegale Schwimmbagger lokalisiert und zerstört.

Dass die Boote einfach gesprengt wurden sorgte bei Einheimischen für Panik und jede Menge Kritik. Viele der zerstörten Lastkähne dienten Familien als Zuhause. Laut Berichten mussten Kinder wenige Minuten vor den Explosionen gerettet werden, da sie in der Hektik zurückgelassen wurden. Weil einige Bewohner am Ufer des Flusses lautstark protestierten, setzte die Polizei tieffliegende Hubschrauber und Tränengas gegen die Bevölkerung ein.

Kritik an brutalem Polizeieinsatz

Die Operation entlang des Ufers der Kleinstadt Humaitá begann am Montag, den 15. September, um 7 Uhr früh und konzentrierte sich auf die Zerstörung von Baggerschiffen – großen, zur Mineraliengewinnung eingesetzten Lastkähnen –, die sich am Ufer der Stadt befanden.

Laut Anwohnerberichten wurden die Schiffe vor der Stadt positioniert und von Bundesbeamten in Brand gesetzt. Die Zerstörung war verheerend und betraf mehrere Bagger, die nach Angaben der Anwohner die Lebensgrundlage vieler Familien darstellen, die vom Mineralienabbau abhängig sind.

"Sie haben ohne Vorwarnung alles niedergebrannt. Die Leute versuchten, ihr Hab und Gut zu retten und wurden dabei angegriffen. Sie haben Gas in der Nähe von Häusern versprüht, und die Kinder leiden darunter", sagte ein Bewohner von Humaitá zur Presse.

Ob die im Fluss zurückgelassenen, brennenden Trümmer der Goldgräberschiffe zum Umweltschutz beitragen, sei dahingestellt.

Operation für Polizei ein Erfolg

Die Operation, die zwischen 10. und 24. September stattfand, wurde vom Amazon International Police Cooperation Centre (CCPI Amazônia) koordiniert – es war der erste große gemeinsame Einsatz des Zentrums. Interpol stellte Echtzeit-Datenbankabfragen, forensische Analysen und Kommunikationsunterstützung bereit, um die Einsätze in Echtzeit zu steuern.

Bei der Operação Boiuna ("Operation Boiuna") waren über 100 Polizisten und Spezialkräfte im Einsatz. Im Vorfeld ware mehr als 400 Quadratkilometer Fluss- und Waldgebiet kartiert worden, in denen illegal Gold geschürft wurde. Bereits im Vorjahr wurden bei einem Großeinsatz zahlreiche dieser Schwimmbagger zerstört, wie Videos in den sozialen Netzwerken zeigen.

Der materielle Schaden für die Goldgräber belaufe sich allein durch die zerstörten Maschinen auf rund 6,8 Millionen US-Dollar. Rechnet man die entgangenen Gewinne, Umwelt- und Folgeschäden hinzu, summiert sich der Verlust für die Hintermänner auf rund 193 Millionen US-Dollar, so Interpol in einer Aussendung.

Die Ermittler fanden nicht nur zerstörte Maschinen, sondern auch hochgiftige Chemikalien. Proben von Sand, Textilien und Sedimenten wurden sichergestellt, um den Einsatz von Quecksilber und Cyanid nachzuweisen – beides Stoffe, die beim Goldwaschen eingesetzt werden, um das Edelmetall aus dem Flussschlamm zu lösen. Bewohnerinnen und Bewohner der Region mussten biologische Proben abgeben, um mögliche Quecksilberbelastungen nachzuweisen.

Internationale Zusammenarbeit

Neben Brasilien waren auch Verbindungsbeamte aus Bolivien, Kolumbien, Guyana, Peru und Suriname beteiligt. Unterstützt wurde die Operation auch durch zwei internationale Projekte: Project LEAP, finanziert von Norwegens International Climate and Forest Initiative (NICFI) und Project GAIA, gefördert vom deutschen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.

"Diese Operation zeigt die Fähigkeit des Zentrums, die Bemühungen verschiedener Institutionen im panamazonischen Raum zu bündeln", erklärte Humberto Freire de Barros, Direktor der brasilianischen Umweltschutzeinheit.

Zerstörte Flüsse, vergiftete Zukunft

Eine kürzlich von Greenpeace Brasilien durchgeführte Untersuchung identifizierte mehr als 500 illegale Bergbauschiffe, die auf dem Madeira-Fluss operieren, auch in Gebieten in der Nähe von Naturschutzgebieten und indigenen Gebieten. Sie reißen den Flussboden auf, zerstören Lebensräume, vergiften das Wasser und verdrängen indigene Gemeinschaften.

Schätzungen zufolge sind tausende solcher Boote im gesamten Amazonasbecken aktiv. "Das unterstreicht die Notwendigkeit kontinuierlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung dieser kriminellen Aktivität", teilte das CCPI mit.

Symbolpolitik oder ernsthafte Strategie?

Mit der Operation "Boiuna" will Brasilien ein deutliches Signal setzen: Die illegale Ausbeutung des Amazonas wird nicht länger toleriert. "Diese koordinierte Arbeit zielt nicht nur darauf ab, kriminelle Aktivitäten zu stören, sondern sicherzustellen, dass die Verantwortlichen in der gesamten Lieferkette zur Rechenschaft gezogen werden", so Freire de Barros.

Über Festnahmen wurde jedoch bislang nichts bekannt. Ob die Aktion mehr ist, als nur eine symbolische Aktion für die Medien, mehrere Wochen vor Beginn des wegen Umweltzerstörungen kritisierten Klimagipfels COP30 in Belem wird sich noch zeigen müssen. Auf dem Twitter-Auftritt der brasilianischen Nationalpolizei fanden sich zuletzt jedoch wiederholt Meldungen über Aktionen gegen illegalen Bergbau und illegale Abholzungen.

{title && {title} } NW, {title && {title} } Akt. 04.11.2025, 14:32, 04.11.2025, 14:31
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