"Die Emotionen gehen in alle Richtungen", sagte Norbert Urabl, Administrator und Stellvertreter der Direktorin der Grazer Schule, wo der Amoklauf am Dienstag verübt wurde, am Mittwochabend in der ORF-"ZIB2" bei Moderator Armin Wolf. Das gehe alle Betroffenen und indirekt Betroffenen so, so Urabl. Alle Schüler und Mitarbeiter würden umfassend betreut, "wir haben einfach versucht, dieses Unfassbare irgendwie in den Griff zu bekommen". Es habe "von der ersten Minute" alles funktioniert, vom Polizeieinsatz über die Evakuierung bis hin zur Betreuung der Betroffenen.
"Wir haben Knallgeräusche gehört, wir konnten es erst nicht zuordnen", so Urabl, erst als sich die Knaller wiederholt hatten, habe man in diesen Schüsse ausmachen können. Lehrer hätten dann bereits auf verletzte Schüler hingewiesen, den Täter selbst habe er nicht gesehen, so Urabl. Er gehe davon aus, dass der Täter wahllos Klassenzimmer aufgesucht und um sich geschossen habe – nicht gezielt Personen und Orte gesucht und ins Visier genommen habe. Klassen seien versperrt und Türen mit Tischen verbarrikadiert worden, so der Direktorin-Stellvertreter. Schüler und Lehrer hätten dadurch wohl noch mehr Opfer verhindert.
Dass sich der Täter noch in der Schule selbst gerichtet hatte, habe Urabl im Laufe des Amoklaufs nicht wahrgenommen, die Schule sei sehr schnell von Spezialeinheiten gestürmt und geräumt worden. An der Schule wurden in der Vergangenheit übrigens Verhaltensweisen bei solchen Gewalttaten durchgegangen worden. "Ich habe mir nie vorgestellt, dass wir das einmal brauchen werden", so Urabl. Er selbst habe den Amokläufer nicht unterrichtet und wenig mit ihm zu tun gehabt: "Es gibt mehr Fragen als Antworten."
Auf angebliches Mobbing des Täters angesprochen, erklärte Urabl: Sollte tatsächlich Mobbing Auslöser gewesen sein, brauche es mehr Sensibilität, Mobbingprozesse früher zu erkennen. "Aber es braucht auch die Kraft der Personen, die Mobbing ausgesetzt sind, dass sie sich entsprechende Hilfe und Unterstützung suchen und annehmen, damit man nicht in so schwere psychische Tiefen abstürzt. Zur Zukunft sagte der Direktorin-Stellvertreter: "Manche wollen wieder Schule haben, manche können sich überhaupt nicht vorstellen, wieder in die Schule zu gehen."
Bernhard Treibenreif, Leiter Direktion Spezialeinheiten/Einsatzkommando Cobra, war ebenfalls zu Gast in der "ZIB2", er sprach den Betroffenen sein Beileid und den Einsatzkräften seinen Dank aus. Ob es ein strengeres Waffengesetz brauche, sei eine "politische Diskussion", so Treibenreif, sollte die Politik zum Entschluss einer Änderung kommen, obliege das der politischen Ebene. Dass ein 21-Jähriger mit einem mutmaßlich fragwürdigen psychologischen Gutachten eine Pistole und ohne Probleme ein Gewehr kaufen könne, sei kein Problem? Er gehe "nicht davon aus, dass da schlampig gearbeitet wurde", so Treibenreif.
Man müsse zu Amokfällen sagen, dass sie nicht nur mit Schusswaffen, sondern auch mit Fahrzeugen und Messern begangen würden, so der Leiter Direktion Spezialeinheiten/Einsatzkommando Cobra. Das habe man zum Glück in den letzten Jahren nicht erleben müssen, so Treibenreif. "Die Tatmittel können variieren." Auf Wolfs Einwand, es komme immer wieder zu verheerenden Bluttaten, erklärte Treibenreif: Wenn auf politischer oder gesellschaftlicher Ebene eine Initiative gestartet werde, etwas zu ändern, "werden wir uns das anschauen, wir werden uns da nicht verschließen".
Bei einem solchen Einsatz sei es schwierig davon zu sprechen, dass er gut verlaufen sei, so der Leiter der Spezialeinheiten: "In so einem Anlassfall ist alles andere als das Prädikat gut zu verwenden." Es sei "eine ganz, ganz tragische Geschichte", dennoch sei die Eingreifzeit der Polizei und der Cobra sehr schnell gewesen. Hintergrund sei auch eine Umstellung der Taktik gewesen, bei der die Einheiten mit stärkerer Schutzausrüstung ausgestattet worden sei.
Ziel sei, eine solche Tat so schnell wie möglich zu stoppen und weitere Gewalttaten zu unterbinden. In diesem Fall sei der Täter bereits tot am Schul-WC angetroffen worden. Durch den schnellen Einsatz habe man aber wohl weitere Tote verhindert, da Schwerverletzte schnell an Rettungskräfte übergeben werden konnten.