Absolvent unter Schock

Ex-Schüler über Amokläufer: "Er war Stufe unter mir"

"Heute" spricht nach dem Amoklauf im BORG Dreierschützengasse mit einem Absolventen (22). Den Täter und ihn trennte ein Schuljahr.
Victoria Carina  Frühwirth
11.06.2025, 20:51
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Das Geschehene macht sprachlos: Am Dienstag forderte ein Amoklauf eines 21-Jährigen zehn unschuldige Todesopfer, dann richtete sich der Täter selbst. Es war der schlimmste Amoklauf der Zweiten Republik. "Heute" sprach mit einem ehemaligen Schüler, der den mutmaßlichen Täter entfernt gekannt hatte.

"Rund 400 Schüler in mehreren Fachzweigen"

Das BORG in der Dreierschützengasse ist beliebt und ein Fixpunkt des Grazer Bildungsangebots. "Heute" erreicht den ehemaligen BORG-Schüler Alexander C. (22), er erzählt von der Schulgemeinschaft – seine Matura absolvierte er 2020.

Die reine Oberstufenschule teilt sich in mehrere Zweige ein: Theater, Musik, Kunst, Naturwissenschaften und Informations- und Kommunikationstechnologie. Dem ehemaligen Schüler Alexander C. zufolge sollen etwa 400 Schüler das BORG besuchen. Dazu schätzt er 50 Lehrpersonen. Der mutmaßliche Täter, Arthur A. (21), soll zwischen 2019 und 2022 Schüler des Oberstufen-Realgymnasiums gewesen sein, Zweig IT, ehe er ohne Abschluss von der Schule ging. Nach der Schule schaffte A. den Eintritt in den Arbeitsmarkt nicht, erst 2024 hatte er einen AMS-Kurs besucht.

Während der Hausdurchsuchung bei Arthur A.s Familie, seiner Mutter, den beiden Brüdern und einer Katze, wurden am Dienstag scheinbar verworfene Pläne für einen Sprengstoffanschlag sowie eine nicht funktionsfähige Rohrbombe sowie ein Abschiedsbrief sichergestellt. Kurz vor der Tat schickte er noch ein Abschiedsvideo mit einer Stellungnahme an seine Mutter. Sie hatte das Video erst gesehen und Einsatzkräfte alarmiert, als es bereits zu spät war...

"Bestimmt bei Maturaball gesehen"

Alexander C. war zwischen 2016 und 2020 selbst Schüler an dem Gymnasium. Er schildert die Gemeinschaft so: "Besonders in den Parallelklassen, die haben immer zusammengehalten, wenn große Veranstaltungen waren wie ein Tag der Offenen Tür oder unser Maturaball. Wir hatten schon eine lockere Stimmung mit den Lehrerinnen und Lehrern. Die wollten uns schon durchbringen, da war der Zusammenhalt auf jeden Fall spürbar."

Als der Absolvent vom Anschlag erfahren hatte, glühten die Mobiltelefone seiner alten Schulkameraden bereits. In der alten Klassengruppe wurde wild spekuliert und Informationen wurden ungeprüft verteilt. Alte Klassenkameraden von C. riefen direkt bei den alten Lehrer-Telefonnummern an und erkundigten sich über deren Wohlergehen. Von dieser Klasse war glücklicherweise keine frühere Lehrkraft unter den Toten oder Verletzten.

Täter war in der Schulstufe unter ihm

Fakt ist, Alexander C. besuchte noch vor einigen Jahren gleichzeitig mit dem Täter die Schule, es trennte sie ein Schuljahr. Der Absolvent und derzeitige Psychologie-Student erzählt, es werde in seinem Umfeld über Motiv und Verfassung des Täters spekuliert: "Ich könnte mir vorstellen, dass Arthur A. möglicherweise psychisch krank war."

Graz steht still

Zur Situation in Graz selbst sagt er am Mittwoch zu "Heute": "Ja, ich merke beim Lüften schon, dass die Straßen deutlich ruhiger sind als sonst. Hier gehen alle mit gesenktem Blick über den Gehsteig, hier ist eine Träge, eine schwere Langsamkeit", erzählt der 22-Jährige.

Er ist vom Vorfall in seiner ehemaligen Schule zutiefst betroffen, fühlt mit Angehörigen von Schülern, die Zeugen dieser grauenhaften Bluttat geworden sind, mit.

Lehrkräfte wurden nicht vom Täter verschont

Der evangelische Religionslehrer Paul Nitsche – er unterrichtete Alexander C. vor einigen Jahren – erlebte den Horror live in der Schule.

Nitsche hatte "Heute" von dem Schreckensmoment erzählt, als er vor der Wahl stand: Im leeren Klassenraum auf den Schützen warten oder über den Gang die Flucht ergreifen. Er entschied sich für ersteres und kam unverletzt – zumindest körperlich – aus der traumatischen Situation heraus.

Menschlichkeit kommt in größter Not heraus

Nach dem Amoklauf am Dienstag gegen 10.00 Uhr wurde am Abend ein Lichtermeer aus Grabkerzen am Grazer Hauptplatz aufgestellt. Hier konnten Menschen gemeinsam trauern, sowohl Angehörige, als auch Zeugen, Einsatzkräfte und Stadtbewohner.

"Aber das ist halt auch so schön an Graz. Es ist so etwas Schlimmes passiert, und da rücken die Menschen sofort zusammen. Weiter draußen in Graz, da gibt es das Lokal 'Das Eggenberg'. Als die gehört haben, was da passiert ist und dass Hunderte Schüler zur Helmut-List-Halle evakuiert wurden, da haben sie sofort begonnen zu arbeiten. Die haben geholfen, wo sie konnten, die haben am laufenden Band Pizzen gebacken. Und sie haben die dann gratis zu den Schülern geliefert, die stundenlang ausharren mussten."

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Der BORG-Absolvent erzählt im "Heute"-Gespräch außerdem, seine gesunden Freunde und Bekannten wären noch am Dienstag zum JUFA-Hotel in Graz gefahren und hätten sich vier (!) Stunden lang in der Warteschlange angestellt – zum Blutspenden für Opfer des Amoklaufs.

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