Michael Hajeks Bub ist elf Jahre alt, hatte in der privaten Volksschule nie Probleme. Im Sommer wurde den Eltern noch zugesichert, dass auch der Nachmittagsunterricht in seiner neuen Mittelschule kein Problem sei, da man Erfahrung mit Autisten habe. Doch es kam es schon in der zweiten Schulwoche zu einem Krisengespräch mit den Eltern.
"In dem Gespräch wurde uns mehr oder weniger mitgegeben, dass die Schule komplett überfordert ist mit unserem Sohn. Sie wissen nicht, wie sie mit ihm arbeiten sollen, was sie mit ihm arbeiten sollen. Und ab diesem Zeitpunkt durfte er den Nachmittagsunterricht nicht mehr besuchen. Weil am Nachmittag auch kein Unterstützungslehrer zur Verfügung steht", so Hajek im ORF. Unterstützungspersonal gibt es nur am Vormittag, ein Pädagoge ist dabei für alle Kinder mit Integrationsbedarf an der Schule zuständig.
Wegen der eingeschränkten Besuchszeiten verpasst der Bub zahlreiche Unterrichtsstunden und sogar ganze Fächer – obwohl eigentlich Schulpflicht herrscht. "Es gibt einzelne Gegenstände, die hat er noch nie besucht. Physik zum Beispiel findet immer am Nachmittag statt. Er hat keine einzige Stunde davon besucht. Was uns halt so mitgegeben wird, ist so der Eindruck: Er soll halt bitte im Endeffekt ein bisschen weniger behindert sein und weniger auffallen", sagt der Vater.
Für Hajek verdichtet sich der Eindruck, dass das Ziel von Schule und Bildungsdirektion einzig darin besteht, die Schulpflicht seines Sohnes in den nächsten Jahren irgendwie abzuwickeln. Eine gezielte Förderung oder das Eingehen auf seine Begabungen sei kein Thema. "Es war für uns wirklich ein Ankommen in der Realität des Wiener Bildungssystems. Wo wir aus einer Mischung aus Frustration und auch Zorn eigentlich nicht wissen, wie es in den nächsten vier Jahren weitergehen soll."
Rund vier Prozent aller Schülerinnen und Schüler in Wien haben sonderpädagogischen Förderbedarf. Jeder Fall müsse individuell betrachtet werden, betont die Bildungsdirektion. Jedes Kind solle die bestmögliche Förderung und Betreuung bekommen. "Um die adäquate Förderung sicherzustellen, stehen das Diversitätsmanagement sowie der Fachstab für Integration, Diversität und Sonderpädagogik im engen Austausch mit Schulleitungen und Familien", heißt es in einer Stellungnahme im ORF.
Hajek war mit diesen Stellen in Kontakt, konnte aber an der Situation seines Sohnes nichts ändern. So muss weiterhin privat nachgeholt werden, was in der Schule versäumt wird. Bald werden seine Frau und er aber an ihre Grenzen stoßen, befürchtet der Vater – auch finanziell. Denn solange sich an der Situation nichts ändert, können beide Elternteile nicht arbeiten gehen.