Weltweit hat sich die Empörung über Israels Angriff in Katar nicht gelegt. Drei Tage nach der Attacke auf die Führungsspitze der islamistischen Terrororganisation Hamas in der Hauptstadt Doha verurteilten Deutschland, Frankreich und Großbritannien Israels Vorgehen in einer gemeinsamen Erklärung.
Israels Premierminister Benjamin Netanyahu rechtfertigte die Angriffe und sagte, mit der Tötung der Hamas-Anführer in Doha werde der Weg geebnet für die Befreiung aller Geiseln und für ein Ende des Kriegs in Gaza.
Auch in der arabischen Welt herrscht großer Unmut. Hier wird der Luftangriff als "schamloser und feiger Angriff" gesehen. Israel hingegen beruft sich auf sein Selbstverteidigungsrecht im Kampf gegen die Hamas, der seit dem Terrorangriff am 7. Oktober 2023 in neuer Intensität geführt wird.
Der Luftangriff vom vergangenen Dienstag, da sind sich viele Beobachter einig, verletzt die Souveränität Katars und birgt das Risiko einer weiteren Eskalation in der Region. Die Sorgen vertiefen sich angesichts von Israels Entscheidung vom 8. August: Demnach soll die Militäroffensive im Gazastreifen ausgeweitet werden, trotz aller internationalen Verurteilungen.
Hinter dem eskalierenden Kurs der israelischen Regierung sehen Beobachter den wachsenden Einfluss der extremen Rechten. Der religiös-zionistische Block stellt zwar nur 14 der 120 Sitze in der Knesset und umfasst nur eine kleine Bevölkerungsgruppe. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen in Israel kritisieren den Einfluss der beiden Minister, darunter auch Reservisten, Juristen und linksliberale Bewegungen. Doch dieses Lager ist gut organisiert und politisch einflussreich, weil es von mächtigen Lobbys unterstützt wird.
Eine Schlüsselrolle in der Koalitionsregierung von Premier Benjamin Netanyahu spielen Itamar Ben-Gvir, der Minister für nationale Sicherheit, sowie Finanzminister Bezalel Smotrich.
Netanyahu hatte die beiden Politiker in seine Regierung eingebunden, als er keine anderen Koalitionspartner im rechten Lager fand. Ihr Bündnis zog 2022 mit 14 Sitzen als drittstärkste Kraft ins Parlament ein – es war der größte Rechtsrutsch in der Geschichte Israels.
Seither sind die beiden für Netanyahu politisch unverzichtbar geworden, gerade nach den Anschlägen vom 7. Oktober 2023: Dank ihnen kann Netanyahu die Macht innerhalb seiner Koalition ausgleichen und seine Position gegenüber ultra-orthodoxen Partnern stärken. Im Gegenzug haben Smotrich und Ben-Gvir erhebliche Entscheidungsfreiheit erhalten.
Sicherheitsminister Ben-Gvir gilt laut NZZ als populistischer Scharfmacher. Er betont öffentlich die Verschlechterung der Haftbedingungen für palästinensische Insassen und weist die Polizei an, hart gegen regierungskritische Demonstranten vorzugehen.
Der 49-Jährige repräsentiert mit seiner Partei Otzma Yehudit eine eigene Wählerschaft, die sich überwiegend aus mizrachischen Juden, also Juden nahöstlicher und nordafrikanischer Herkunft, zusammensetzt und häufig aus einem niedrigeren sozioökonomischen Umfeld stammt. Ben-Gvirs Partei – sie hat 6 der 120 Sitze in der Knesset inne – findet bei jüngeren Wählern großen Anklang. Viele Wähler der Partei würden "wahrscheinlich von ihrer feurigen Rhetorik und ihren rechtsextremen Positionen angezogen", so die "Times of Israel" und verweist etwa auf die Wiedereinführung der Konversionstherapie, die Trennung von arabisch-jüdischen Entbindungsstationen, die Ausweisung "illoyaler" Israelis oder die Abschiebung arabischer Bürger, die israelische Soldaten angreifen.
Auch Finanzminister Smotrich gilt als glühender Ideologe. Sein Gedankengut entstammt den Lehren von Raw Zvi Yehuda Kook, dem geistigen Vater der Siedlerbewegung. Smotrich sieht den "Aufbau des Landes" als "großen, göttlichen Prozess der Erlösung", wie der "Guardian" schreibt. Die Palästinenser, die er in öffentlichen Aussagen als "kein Volk" bezeichnete, seien dabei "ein Hindernis". Für Smotrich war Israels Abzug aus dem Gazastreifen 2005 ein Verrat an der Siedlerbewegung. Das Hamas-Massaker vom 7. Oktober bestätigte in den Augen von Smotrich und Co., dass die Siedlungen in Gaza nie hätten aufgegeben werden dürfen.
Smotrich hat als Finanzminister allerhand Hebel zur Verfügung, wie das "Middle East Institute Switzerland" (MEIS) schreibt: Er untergräbt gezielt die Palästinensische Autonomiebehörde, indem er Steuergelder zurückbehält. Zudem beeinflusst Smotrich den Siedlungsbau maßgeblich: Unter ihm kam es zu einem Anstieg der israelischen Siedlungen um 40 Prozent.
Letztlich streben Ben-Gvir und Smotrich beide die vollständige israelische Kontrolle über "Großisrael" an. Territoriale Zugeständnisse in irgendeiner Form kommen für sie nicht infrage.
Auch Israels aktueller Plan, die gesamte Bevölkerung Gazas in einer "humanitären Stadt" zu konzentrieren und zur "freiwilligen Emigration" zu bewegen, entspricht laut Beobachtern wie Nahost-Experten Ulrich Schmid ganz den Vorstellungen eines Ben-Gvir und Smotrich. Auch diese absolute Unnachgiebigkeit und Kompromisslosigkeit habe dazu beigetragen, dass der Krieg nach 21 Monaten noch immer tobt.