Vor 30 Jahren erhielt Lydia Mayer-Deisting die Hiobsbotschaft: Multiple Sklerose. Lange Zeit konnte sie noch normal leben, ihr Lieblingshobby, das Wandern, musste sie damals noch nicht aufgeben. Völlig unerwartet setzte schließlich vor sechs Jahren îhr großes Unglück ein: „Ich war damals mit meinem Sohn Schuhe kaufen, dann bin ich zurück zum Auto gegangen und aus – seitdem konnte ich nie wieder stehen", sagt die Welserin im Gespräch mit "Heute".
Als wäre das nicht genug, spürte die 53-Jährige die Brutalität der Bürokratie – alles völlig gesetzeskonform. Mayer-Deisting braucht täglich Hilfe im Alltag. Einkaufen, Haushalt führen, etc. – alles wurde ihr unmöglich ohne Unterstützung. Nach einigen Irrwegen (ein Verein half etwa zu Beginn bei Tätigkeiten – etwa dem Duschen –, die dieser per Gesetz nicht ausführen durfte), wurden schließlich 45 Stunden Assistenz pro Monat bewilligt.
"Aber davon brauche ich schon 30 Stunden für meine Stehhilfe (Anm.: ein Gestell, mit dem sie das Stehen und Gehen trainiert) – da bleibt nichts für den Rest", sagt Lydia Mayer-Deisting im ersten Gespräch mit „Heute" vor einigen Monaten. Es kam damals zu einem Besuch der Chefin des Vereins Miteinander, die das Problem einsah. Sie nutzte ihre Kontakte und plötzlich wurden doch 100 Stunden bewilligt, "damit komme ich jetzt gut aus", sagte die Welserin damals.
Doch schon bald trudelten die Rechnungen ein. "Das war ein großer Schock: Sie forderten viel mehr als ich Pflegegeld bekomme." Ein absurdes Detail: "Als Pflegegeld-Bezieherin zahle ich einen Selbstbehalt von 13 Euro pro Stunde Hilfe, hätte ich kein Pflegegeld, würde ich nur vier Euro zahlen!"
Die Patientin raste mit Vollgas Richtung privater Finanz-Katastrophe: "Damals sind mir die Tausender nur so weggeronnen. Man glaubt gar nicht wie viel Reha und Arztbehandlungen kosten." Die Pflege schluckte viel mehr Geld, als sie zur Verfügung hatte. Zum Glück hat sie Familie: "Den Rest zahlte mein Sohn." 700 Euro pro Monat legte er noch in ihre Kassa.
Seitdem ist vieles geschehen, der Fall wurde öffentlich. Sabine Rödler, Präsidentin der Friedrich-Karl-Weniger Gesellschaft (der Verein hilft in Härtefällen), stellte vor dem Bundesrat im Parlament genau dieses Schicksal als typisches österreichisches (Negativ-)Beispiel vor. Auch "Heute" berichtete mehrmals.
Jetzt kam es zur großen Wende. "Völlig überraschend meldete sich der Magistrat Wels bei mir", erzählt uns Mayer-Deisting in einem neuerlichen Gespräch. Sie musste ein Formular ausfüllen, es kam zu einer neuerlichen Beweisaufnahme. "Ich freue mich so sehr! Das Ergebnis ist, ich muss nicht mehr den vollen Betrag bezahlen, maximal 80 Prozent meines Pflegegeldes werden mir abgezogen." Dann sagt sie auch noch: "Mein Sohn freut sich noch mehr als ich!"
Jetzt fällt Mayer-Deisting das Leben endlich wirklich leichter gemacht: "Ich werde jeden Tag zu Bett gebracht, auch in der Früh ist jemand da für mich. Überall wird mir jetzt geholfen: Duschen, Arztbesuche, Reha-Begleitung, Einkaufen und auch bei der Arbeit mit meinen Trainingsgeräten."
Trotz diesem "Happy End" ist für die Angehörigenvertreterin Sabine Rödler noch lange nicht alles erreicht: "Wir brauchen für die Pflege daheim Service statt Schikane! Ein System, das rasch und einfach Hilfe bietet, statt Familien das Leben noch schwerer zu machen. Endlich faire finanzielle Unterstützung gehört dazu! Weggeschaut hat man nämlich viel zu lange!"
Auch in Wels im Haus von Lydia Mayer-Deisting ist noch einiges unerledigt: "Mein Sohn hilft mir immer noch 50 Stunden, sonst geht es sich einfach nicht aus."