Jörg Leichtfried ist eine verlässliche Personalreserve der SPÖ – der 57-Jährige war unter anderem Landesrat in seinem Heimatbundesland Steiermark, EU-Parlamentarier, Verkehrsminister. Seit 3. März ist Leichtfried Staatssekretär im ÖVP-geführten Innenministerium, zuständig für Staatsschutz und Nachrichtendienst. Ein neues Aufgabenfeld, das ihm aber keinesfalls fremd sei, sagt Leichtfried im "Heute"-Interview: "Als langjähriger SPÖ-Verfassungssprecher und Vorsitzender des Verfassungsausschusses im Parlament nun Verfassungsschutz auf einer anderen Ebene zu betreiben, ist eine spannende Aufgabe." Er wolle "mithelfen, Österreich sicherer zu machen".
In der Rolle eines roten "Aufpassers" im schwarzen Innenressort sieht sich Leichtfried nicht. Die Zusammenarbeit mit VP-Minister Gerhard Karner laufe "sehr, sehr gut". Wenngleich man nicht im selben Gebäude sitzt – Leichtfried residiert derzeit in einem Ausweichbüro am Schottenring, das er bald erneut wechseln muss. "Grund sind massive Umbauarbeiten im Innenministerium", erläutert der Staatssekretär.
Wer sich im Gespräch mit Leichtfried James-Bond-mäßige Infos rund um abhörsichere Büros und Geheimdienst-Briefings erhofft, wird freilich enttäuscht. Über alles, was den Nachrichtendienst betrifft, dürfe er nicht reden.
„Verfassungsschutz soll dafür sorgen, dass gar nicht erst etwas passiert, worauf wir nachher reagieren müssten.“Jörg LeichtfriedSPÖ-Staatssekretär im Innenministerium
Sehr wohl hat der SP-Staatssekretär im "Heute"-Talk (ganzes Interview siehe Video unten) jedoch konkrete Informationen zum wachsenden Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes und entsprechenden Regierungsvorhaben. Leichtfried über:
"Das ist in Zeiten wie diesen wesentlich. Das Unsicherheitsgefühl in Österreich ist höher als früher, auch die Bedrohungslage ist größer – dem muss entgegengetreten werden. Der Verfassungsschutz ist die erste rote Linie, die unser Land schützt, bevor etwas passiert. Und eben dafür sorgen soll, dass gar nicht erst etwas passiert, worauf wir nachher reagieren müssten."
"Wichtig ist, dass wir wieder einen Fußbreit Boden gegenüber jenen gewinnen, die unser Leben bedrohen. Wenn es gelingt, dass nach dieser Legislaturperiode die Menschen, die in Österreich Anschläge zu begehen versuchen, sich unsicherer fühlen und wir alle uns sicherer fühlen können, dann war meine Arbeit erfolgreich."
„Es geht darum, ganz wenige Menschen, die sehr gefährlich sind, besser überwachen zu können.“Jörg LeichtfriedSPÖ-Staatssekretär im Innenministerium
Die Regierung hat einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der bei Terrorismusverdacht die Überwachung der Kommunikation über Messengerdienste wie WhatsApp oder Signal ermöglicht. Leichtfried dazu: "Es geht darum, ganz wenige Menschen, die sehr gefährlich sind, besser überwachen zu können. Deshalb heißt das auch Gefährderüberwachung. Das betrifft im Jahr rund 30 Personen. Und zwar wenn sich aus Ermittlungen ergibt, dass sie vielleicht einen Anschlag planen. Die Strafprozessordnung ermöglicht es zwar schon, Handys anzuschauen – jedoch erst, wenn etwas passiert ist. Wir müssen aber hinein in die Planungsphase, bevor etwas geschieht."
Die ÖVP wollte bereits in der vorigen Regierung eine Messenger-Überwachung durchbringen. Die SPÖ war damals strikt dagegen. Leichtfried: "Die SPÖ hat die vorigen Versuche aus gutem Grund skeptisch gesehen, weil das de facto – ohne richtigen Anlass – eine Maasenüberwachung gewesen wäre. So etwas lehnen wir strikt ab. Was wir aber unterstützen, ist die konkrete Überwachung einer kleinen Anzahl von Menschen, wo die Gefahr groß ist, dass sie etwas Schlimmes planen."
"Die Gefährderüberwachung wird ausschließlich im Falle potenzieller terroristischer Anschläge und potenzieller Spionage gegen Österreich verwendet werden."
„Müssen Jugendliche und Lehrer dahingehend sensibilisieren, dass es ihnen auffällt, wenn sich ein Schüler plötzlich merkwürdig verhält.“Jörg LeichtfriedSPÖ-Staatssekretär zu Präventionsmaßnahmen
"In der zunehmend digitalen Welt müssen wir Jugendliche vor den Gefahren der Online-Radikalisierung und den Fängen von Hasspredigern schützen. Prävention ist hier ganz wichtig. Entscheidend ist, dass bereits Minderjährige die Fähigkeiten entwickeln, extremistische Inhalte und ihre subtilen Botschaften rasch zu identifizieren. Und in den Schulen geht es darum, Jugendliche und Lehrer dahingehend zu sensibilisieren, dass es ihnen auffällt, wenn sich ein Schüler plötzlich merkwürdig verhält. Zugleich müssen wir Desinformation bekämpfen und gegen die Menschen vorgehen, die Desinformation betreiben. Desinformation bedroht direkt unser demokratisches System – und wer unser demokratisches System bedroht, hat mich als Gegner."
"Es gibt Ideen, Online-Plattformen wie TikTok zu verbieten oder Altersbeschränkungen einzuführen. Aber es werden sich wohl immer Möglicheiten finden, solche Verbote zu umgehen. Wir sollten darauf hinarbeiten, junge Menschen in die Lage zu versetzen zu erkennen, wann es sich um Desinformation handelt."
"Die Politik der Vergangenheit hat Österreich große finanzielle Schwierigkeiten bereitet und es braucht jetzt eine gemeinsame Kraftanstrengung für die Budgetkonsolidierung. Allerdings: Beim Verfassungsschutz kann man sich Sparen eigentlich nicht leisten."