Wechsel auf Vollzeit

1.000 Euro mehr – Ärzte springen auf Vollzeitbonus an

Die Vollzeitprämie für Spitalsärzte in Niederösterreich sorgt für mehr Vollzeitkräfte, wirft aber rechtliche und soziale Fragen auf.
Niederösterreich Heute
04.10.2025, 05:30
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Nach einem halben Jahr zieht die Landesgesundheitsagentur (LGA) eine erste Zwischenbilanz: Zwei Drittel der jährlich geplanten 25 Millionen Euro sind schon abgerufen. Das macht rund 17 Millionen Euro. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Spitalseintritte um 16,7 Prozent gestiegen. Wie orf.at berichtet, zeigt sich dabei besonders eine positive Entwicklung: Immer mehr Ärztinnen und Ärzte wechseln von Teilzeit auf Vollzeit, während umgekehrt weniger von Vollzeit auf Teilzeit reduzieren, so die LGA.

Eine umfassende Evaluierung der Maßnahme ist aber erst für 2026 geplant. Die Prämie wurde mit breiter Zustimmung der Sozialpartner eingeführt und soll dann auch gemeinsam mit ihnen bewertet werden.

Anspruch auf die Prämie haben Vollzeitkräfte und gesetzlich geregelte Teilzeitfälle, Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung sind ausgeschlossen. Die Prämie kann bis zu 1.000 Euro im Monat ausmachen. Sie soll Spitalsärztinnen und -ärzte motivieren, von Teilzeit auf Vollzeit umzusteigen und so die Versorgung in den Krankenhäusern abzusichern.

Die Vollzeit-Prämie in Niederösterreich (Stand: Ende August 2025) ist Teil eines neuen Gehaltsmodells, das insgesamt 64 Millionen Euro zusätzlich bringt. Dazu gehören auch eine höhere Nachtdienstzulage (35 Millionen Euro) sowie ein Karrieremodell für Ärztinnen und Ärzte mit Leitungsaufgaben (3,5 Millionen Euro).

Die Maßnahme wurde im Rahmen des "Gesundheitspakt 2040+" gemeinsam mit den Sozialpartnern beschlossen. Laut LGA ist die Verfügbarkeitsprämie auch über 2025 hinaus budgetiert.

Der Zentralbetriebsrat spricht von einem "wichtigen Baustein im Wettbewerb um Fachkräfte", betont aber, dass stabile Dienstpläne und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie mindestens genauso wichtig bleiben. Auch die Ärztekammer Niederösterreich sieht die Prämie grundsätzlich positiv, warnt aber vor strukturellen Problemen wie Unterfinanzierung und Engpässen in hochspezialisierter Medizin.

AMS-Vorstand Johannes Kopf äußerte gegenüber dem Nachrichtenmagazin "profil" Zweifel daran, ob die Vollzeitprämie einer Gleichbehandlungsklage standhalten würde. Gegenüber der "Kleinen Zeitung" meinte Kopf, dass er vom Vollzeitbonus wenig halte, weil er vor allem Männern zugutekomme.

Auch die Gleichbehandlungsanwaltschaft sieht auf Anfrage von noe.ORF.at das Risiko, dass Teilzeitkräfte benachteiligt werden könnten, da besonders Ärztinnen oft in Teilzeit arbeiten.

Die Rechtsexperten Clemens Egermann (FH Wr. Neustadt) und Florian Schrenk (Universität für Weiterbildung Krems) sehen die juristische Gefahr einer Diskriminierung durch die Prämie. Sie halten es für möglich, dass auch andere Teilzeitkräfte Anspruch auf die Prämie haben könnten. Klagen wären theoretisch denkbar, die Verfahren würden aber lange dauern.

Das könnte für das Land zu zusätzlichen Kosten führen – etwa durch Nachzahlungen oder Entschädigungen. Gleichzeitig sei aber auch möglich, dass die Regelung hält und den gewünschten Effekt bringt. Das wird die Evaluierung im Jahr 2026 zeigen.

Die LGA begründet die Einführung der Prämie gegenüber noe.ORF.at damit, dass es bisher keine solche Prämie gab und man "angesichts des intensiven Werbens um Mitarbeitende in der gesamten Ostregion gezwungen" sei, noch mehr für die Attraktivität der Arbeitsplätze im niederösterreichischen Gesundheitswesen zu tun.

Laut Juristen reicht ein Verweis auf die Konkurrenzsituation in der Ostregion aber allein nicht als "sachliche Rechtfertigung" im Sinn des Gleichbehandlungsrechts aus.

Aus dem SPÖ-geführten Gesundheitsministerium heißt es, dass es verständlich sei, wenn "Länder Maßnahmen setzen, um ärztliche Jobs attraktiver zu machen". Gleichzeitig hätten sich die Länder in der Gesundheitsreferentenkonferenz darauf geeinigt, sich nicht gegenseitig zu überbieten. Das Ministerium hält das weiterhin für einen sinnvollen Ansatz und erinnert die Länder daran, sich an die eigenen Vereinbarungen zu halten.

Politisch gibt es für die Maßnahme überwiegend Unterstützung. ÖVP, SPÖ und FPÖ betonen, dass die Prämie ein Beitrag zur Sicherung der Versorgung sei. Die NEOS kritisieren den Ausschluss von Ärztinnen und Ärzten in Ausbildung, die Grünen warnen vor einer möglichen Benachteiligung von Teilzeitkräften.

Für Arbeitsrechtsexperten Florian Schrenk steht die Diskussion um die Prämie "exemplarisch für eine zentrale Frage am Arbeitsmarkt": Wie kann man rechtlich saubere Anreize für Vollzeit schaffen, ohne Teilzeitkräfte zu benachteiligen? Das sei kein Einzelfall, sondern betreffe viele Betriebe und Branchen – "auch oder insbesondere im Gesundheits- und Sozialbereich".

{title && {title} } red, {title && {title} } 04.10.2025, 05:30
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