Kostet Staat Milliarden

"Weckruf für alle" – Streit um Teilzeit eskaliert

Aktuelle Zahlen der Agenda-Austria heizen den Teilzeitstreit erneut an: Wirtschaft und Gewerkschaft liefern sich einen Schlagabtausch um Arbeitszeit.
Lukas Leitner
08.08.2025, 17:33
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Kurz vor dem Wochenende wird die Teilzeitdebatte erneut angeheizt. Der Grund: Eine aktuelle Berechnung der Agenda Austria zeigt, dass die freiwillige Teilzeitarbeit dem Staat jährlich mehrere Milliarden Euro kostet.

Das sorgt vor allem beim Wirtschaftsbund für Aufregung, der in einer Aussendung am Freitagvormittag von einem Milliardengrab spricht – "Heute" berichtete.

"Ein Weckruf für alle"

"Die aktuellen Zahlen der Agenda Austria sind ein Weckruf für alle, die es bisher nicht wahrhaben wollten: Freiwillige Teilzeitarbeit kostet uns jährlich Milliarden und schwächt langfristig unser Pensions- und Sozialsystem. Österreich gehört europaweit zu den Spitzenreitern in der Teilzeitarbeit – dieser Stockerlplatz ist kein Ruhmesblatt. Der Trend zur Lifestyle-Teilzeit gefährdet Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und die eigene Altersvorsorge", so Wirtschaftsbund-Generalsekretär und ÖVP-Wirtschaftssprecher Kurt Egger.

Stattdessen brauche es dringend Anreize für Mehrarbeit, damit das Arbeitskräftepotenzial in Österreich voll ausgeschöpft werde – ganz nach dem ÖVP-Motto: Arbeit muss sich wieder lohnen.  Darüber hinaus müsse eine flächendeckende, qualitativ hochwertige Kinderbetreuung sichergestellt werden, um insbesondere Frauen die Chance zu geben, ihr Arbeitszeitpotenzial voll auszuschöpfen.

"Strukturelles Problem"

Den Ausführungen des Wirtschaftsbundes schließt sich die Industriellenvereinigung an. Sie sehe in den aktuellen Berechnungen einen Handlungsauftrag an die Politik. "Wenn rund 320.000 Menschen in der Lage wären, Vollzeit zu arbeiten, sich aber bewusst dagegen entscheiden, weil es sich finanziell kaum lohnt, ist das ein strukturelles Problem", so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.

Das Steuersystem setze laut dem Industriellen zu geringe Anreize, wodurch sich mehr Arbeitsstunden tatsächlich auch in ein deutlich höheres Nettoeinkommen übersetzen. "Negative Leistungsanreize des Steuer- und Sozialsystems müssen abgebaut werden. Wenn immer mehr Menschen in Teilzeit arbeiten, gleichzeitig aber Leistungen aus der Sozialversicherung im selben Ausmaß wie Vollzeitbeschäftigte in Anspruch nehmen, wird das auf Dauer finanziell nicht tragbar sein", erklärte Neumayer.

"Können es uns nicht leisten"

Zudem brauche es einen Ausbau flächendeckender Kinderbetreuung, damit auch Frauen ihr Arbeitspotenzial voll ausschöpfen können. In den letzten 30 Jahren sei die Zahl der Beschäftigten um über ein Drittel gestiegen, parallel ist die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden je Beschäftigungsverhältnis signifikant gesunken – bei gleichzeitig stark wachsender Teilzeitquote.

"Wir können es uns nicht leisten, dass Arbeitskraft brachliegt. Das bringt den Wirtschaftsstandort und letztlich unseren Wohlstand weiter unter Druck", so Neumayer abschließend.

Teilzeit meist nicht aus "Lifestyle-Gründen"

Wenige Minuten später gibt es dann auch schon eine Reaktion der Gewerkschaft, die die Berechnungen der Agenda Austria kritisiert. GPA-Vorsitzende Barbara Teiber warnt davor, die gesellschaftliche Debatte über Arbeitszeitverkürzung und Vereinbarkeit auf dem Rücken der Beschäftigten zu führen: "Teilzeitkräfte pauschal als volkswirtschaftliches Problem zu framen, ist weder sachlich noch gerecht."

"Wer Teilzeit arbeitet, tut das meist nicht aus 'Lifestyle-Gründen', sondern weil es strukturell kaum anders möglich ist. Etwa wegen fehlender Kinderbetreuung oder weil Pflegearbeit in der Familie geleistet wird", so Teiber weiter.

Ungleichheit werde verschärft

Darüber hinaus würden viele Teilzeitkräfte weniger arbeiten, weil die Kinderbetreuung fehle, Angehörige zu pflegen seien oder gesundheitliche und betriebliche Rahmenbedingungen einen Vollzeitjob nicht zulassen. Das treffe vor allem Frauen, die vier von fünf Teilzeitkräften ausmachen.

"Wer Teilzeitkräfte pauschal zu höheren Beiträgen verpflichten will, belastet in Wahrheit gezielt Frauen und verschärft damit die bestehende Ungleichheit. Das erhöht den Gender Pay Gap und letztlich auch die Pensionslücke", betont Teiber.

{title && {title} } LL, {title && {title} } 08.08.2025, 17:33
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