Neue Runde im Teilzeit-Streit

Minister macht Ansage: "Mehrarbeit muss sich lohnen"

Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer kritisiert, dass die Erhöhung der Arbeitsstunden netto kaum mehr Geld bringt. Was er als Sofortmaßnahmen fordert.
Angela Sellner
30.07.2025, 13:00
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Mit einer 31,6 % hat Österreich aktuell die zweithöchste Teilzeitquote in der EU – nur die Niederlande liegen noch darüber. Seit 1994 hat sich die Teilzeitquote mehr als verdoppelt, gleichzeitig sank die durchschnittliche Zahl der geleisteten Arbeitsstunden stärker als in jedem anderen EU-Land.

Doch während viele wegen familiärer Betreuungsverpflichtungen oder krankheitsbedingt weniger arbeiten, sieht Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) eine wachsende Gruppe, die aus "Lifestyle-Gründen" bewusst auf Stunden verzichtet. Und das macht ihm Sorgen.

„Bin verwundert, wie schwierig es ist, in der österreichischen Innenpolitik einen differenzierten Diskurs zu führen.“
Wolfgang HattmannsdorferWirtschaftsminister (ÖVP)

"Mich sorgt die Entwicklung der geleisteten Arbeitsstunden – es braucht eine Trendumkehr", so Hattmannsdorfer im Interview mit Ö1. Der Wirtschaftsminister ortet eine politische Scheu, das Thema offen anzusprechen: "Ich bin verwundert, wie schwierig es ist, in der österreichischen Innenpolitik einen differenzierten Diskurs zu führen."

Lifestyle-Teilzeit gefährdet Sozialstaat

Besonders kritisch sieht Hattmannsdorfer die Folgen für das Sozialsystem: "Die Lifestyle-Teilzeitwelle in ihrer aktuellen Dimension gefährdet unseren Sozialstaat und schwächt unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit." Deshalb brauche es "gezielte Anreize, damit mehr Menschen ihre Arbeitszeit erhöhen".

Klar sei aber: "Wer Betreuungspflichten hat oder aus gesundheitlichen Gründen in Teilzeit arbeitet, ist von dieser Debatte ausdrücklich ausgenommen."

Die Herausforderungen am Arbeitsmarkt spitzen sich laut dem Minister weiter zu: "Mit dem bevorstehenden Pensionsantritt der Babyboomer-Generation fehlen dem österreichischen Arbeitsmarkt mittelfristig bis zu 500.000 Arbeitskräfte."

„Die Leute können rechnen. Wenn es sich nicht auszahlt, dann gibt es auch keinen Grund, in Vollzeit zu arbeiten.“
Wolfgang HattmannsdorferWirtschaftsminister (ÖVP)

Doch viele würden ihre Stunden nicht erhöhen – nicht aus Bequemlichkeit, sondern weil es sich schlicht nicht rentiere. "Die Leute können rechnen. Wenn es sich nicht auszahlt, dann gibt es auch keinen Grund, in Vollzeit zu arbeiten", stellt Hattmannsdorfer und rechnet vor: Bei einer Kindergärtnerin (1.875 Euro Gehalt) bringe der Sprung von 30 auf 40 Stunden netto nur 23% mehr, wenn ein Handwerker (1.750 €) seine Arbeitszeit von 20 auf 30 Stunden um 50 % erhöht, sind es nur 35,7 % mehr Gehalt.

„Es bräuchte einen radikalen Umbau des Steuersystems, weil es teilweise leistungsfeindlich ist", so Hattmannsdorfer. Auch wenn der große Steuerumbau budgetär derzeit nicht möglich sei, sieht der Minister rasch umsetzbare Schritte: "Ich bin der festen Überzeugung: Wenn wir budgetär wieder Luft haben, müssen wir Spielräume schaffen, damit sich Mehrarbeit steuerlich auszahlt." Bis dahin gelte: "Was wir sofort tun können, ist, Hürden zu beseitigen, die Menschen davon abhalten, mehr zu arbeiten."

So will Minister "Hürden beseitigen"

Der VP-Minister schlägt zwei konkrete Maßnahmen vor. Zum einen plädiert er dafür, die Geringfügigkeitsgrenze weiter einzufrieren. Diese liegt aktuell bei 551,10 Euro pro Monat. Wer nur einen Cent darüber liegt, muss plötzlich voll in die Kranken- und Pensionsversicherung einzahlen – das bedeutet netto über 1.100 Euro netto weniger pro Jahr. Ein starker Anreiz also, unter dieser Grenze zu bleiben. "Wir müssen die Regelungen zur geringfügigen Beschäftigung überdenken", fordert Hattmannsdorfer.

Die Geringfügigkeitsgrenze ist derzeit auf zwei Jahre eingefroren. Hattmannsdorfer will, dass der Betrag auch darüber hinaus nicht valorisiert wird – um es weniger attraktiv zu machen, auf geringfügiger Basis zu arbeiten. Denn de facto wird der Verdienst dann immer weniger wert.

Ein zweiter wichtiger Punkt seien die starren Einkommensgrenzen bei den Sozialleistungen. Auch hier gelte: Sobald man etwas mehr verdient, verliert man mitunter sämtliche Ansprüche. "Diese Systeme müssen dringend überarbeitet werden. Das sind Maßnahmen, die wir rasch umsetzen können – und für die ich auch konkrete Vorschläge einbringen werde", kündigt Hattmannsdorfer an.

"Wir müssen die starren Grenzen bei den Sozialleistungen überprüfen", so der Minister: "Wenn jemand einen Euro über dieser Grenze ist, schlägt sich das unmittelbar nieder, weil man aus allen Sozialleistungen rausfällt oder Beitragsbefreiungen wegfallen. Das summiert sich und ist leistungsfeindlich."

{title && {title} } sea, {title && {title} } Akt. 30.07.2025, 17:24, 30.07.2025, 13:00
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