"Österreich arbeitet zu wenig", sagt Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer. Der ÖVP-Politiker prescht gerade in einer Sommer-Offensive gegen die "Teilzeit-Mentalität" im Land vor. Menschen, die keine Betreuungsverpflichtungen nachkommen, aber dennoch nicht Vollzeit arbeiten (wollen) sind dem türkisen Oberösterreicher ein Dorn im Auge:
"Wenn das alle machen, ist es nicht nur schlecht für die eigene Pension später, sondern es ist auch schlecht für unseren Sozialstaat, unseren Wohlstand, für Wirtschaftswachstum und sichere Jobs – all das lebt davon, dass genug gearbeitet wird."
Der Teilzeit-Trend schlägt sich auch schon deutlich auf den großen Jobbörsen nieder. Die Zahl der reinen Vollzeitstellen liegt bei 65 Prozent, zehn Prozentpunkte niedriger als noch 2015. Dafür nehmen Inserate, in denen beides geboten wird, stetig zu. Auch die Unternehmen haben schon geknissen, dass sich dadurch mehr geeignete Bewerber finden lassen.
"Wenn eine Stelle Teilzeit- und Vollzeit ausgeschrieben ist, dann bemerken wir, dass diese 40 Prozent mehr Bewerbungen generiert; auf deutlich höheres Interesse stößt", sagt Corina Staniek von der Job-Plattform Stepstone gegenüber Ö1. Zudem beobachte man seit einigen Jahren bei den Unternehmen eine Tendenz, "mehr zu bieten", um einen Kandidaten für sich zu gewinnen.
Teilzeitbeschäftigung liegt vor, wenn die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit die gesetzliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden oder eine durch Kollektivvertrag festgelegte kürzere wöchentliche Normalarbeitszeit im Durchschnitt unterschreitet. (wko.at)
Von Branche zu Branche sind die Unterschiede riesig: "Die meisten Teilzeitstellen werden im Bereich Gesundheit und Sozialwesen (82%) und im Bereich Erziehung und Unterricht angeboten. Deutlich weniger sind es im Bereich Bau und Energieversorgung", weiß AMS-Sprecher Gregor Bitschnau. Im Handel sind rund die Hälfte aller Stellen in Teilzeit ausgeschrieben.
Die Branchen mit den meisten Teilzeit-Jobs sind jene, wo überwiegend Frauen beschäftigt sind – nicht immer ganz freiwillig. Grund dafür ist die in Österreich immer noch stark verwurzelte klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau.
"Frauen machen eher Pflege-, Gesundheits- und Erziehungsjobs sowie sehr viel im Handel – und Männer viel im Bau und Produktion", sagt Arbeitsmarkt- und Gleichstellungsexpertin Manuela Vollmann am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal: "Das ist leider noch sehr traditionell und sollte schon längst anders sein."
Und weil hierzulande auch überwiegend Frauen die unbezahlte Pflegearbeiten und Kinderbetreuung daheim übernehmen müssen, haben diese Branchen mit einem verstärkten Teilzeit-Angebot reagiert. Den Frauen bleibt oft auch nichts anderes übrig", sagt die Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens ABZ*Beratung. Sie spricht von einem "segregierten Arbeitsmarkt".
Und die angeblich so faule Jugend, die nach Work-Life-Balance strebt? "Wir können jetzt lange darum jammern, dass das so ist. Ich sehe das positiv. Wir wollen ja, dass gerade die jungen Leute heute lange gesund und zufrieden arbeiten", so Vollmann weiter. "Die Work-Life-Balance war immer schon ein Thema. Nur die Betriebe und Unternehmen, auch wir als Gesellschaft, haben das bisher nicht so ernst genommen."
So habe in den letzten drei Jahrzehnten die Beschäftigungsquoten von Frauen "massiv zugenommen". Sie mussten neben ihrer Erwerbsarbeit und noch die unbezahlte Care-Arbeit stemmen. "Das führt auch dazu, dass die Söhne und Töchter jetzt sagen –wenn sie gut ausgebildet sind–: 'Ich muss besser mit meiner Work-Life-Balance umgehen, nicht so wie meine Eltern'."
Dennoch brauche es einen Einklang mit dem Streben nach Work-Life-Balance: "Es ist total wichtig, dass wir diesen Bedarf der Menschen ernst nehmen; und wir brauchen eine gerechtere Verteilung der unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und Männern." Denn: "Ein Teilzeit-Bashing ist im Moment auch Frauen-Bashing. Wir haben 51,1 Prozent der Frauen in Teilzeit. Das ist keine gute Möglichkeit, in die Zukunft zu schauen."
Dass die aktuelle Gesetzeslage das Teilzeit-Angebot aus Unternehmenssicht aber ZU attraktiv macht, das unterschreibt die ABZ-CEO vollends: "Ich gehe davon aus, dass wir dringend einen Wandel in der Gesellschaft und Wirtschaft brauchen. Teilzeit ist in unserer Gesellschaft und Wirtschaft schlecht für die Frauen [...] und unsere Sozialsysteme sind auf Normarbeitszeit ausgerichtet."
Für Arbeitsmarktexpertin Vollmann ist deshalb ein rascher Wiedereinstieg der Frauen ins Berufsleben nach der Karenz essentiell, doch dafür müssten die Männer etwas zurückstecken und mehr der Heimarbeit übernehmen. Sie schlägt deshalb ein Eltern(teil)zeit-Modell vor: "Beide Eltern reduzieren ihre Arbeitszeit bzw. Frauen heben sie an und gehen beide in Elternzeit – und der Staat zahlt einen Lohnausgleich. Das Unternehmen zahlt nur die Leistung und wir als Gesellschaft sagen, uns ist das wichtig, dass wir die Care-Arbeiten neu verteilen. Ich bin sicher, dass dann auch mehr Arbeitszeit für die Betriebe zur Verfügung steht."