Terror in Wien

Wien-Terrorist: "Nicht gut, dass man Zivilisten tötet"

Dem "Falter" wurden Gerichtsprotokolle und Aussagen des City-Attentäters zugespielt. Darin lehnt der Todesschütze Gewalt gegen Unschuldige ab. 

Michael Rauhofer-Redl
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Terror in Wien – Gedenken an die Toten
Terror in Wien – Gedenken an die Toten
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Etwas mehr als eine Woche ist es her, dass ein 20-Jähriger bei einem Terror-Anschlag in Wien vier Menschen ermorderte und über 20 Personen verletzte, ehe er selbst von Elite-Polizisten der WEGA ausgeschaltet wurde. Bei den Todesopfern handelt es sich um eine 24-Jährige, einen 21-Jährigen, einen 40-Jährigen und um eine 44-Jährige. Seinen tödlichen Plan realisierte der Attentäter u.a. mit einem Sturmgewehr der Marke "Zastawa M70".

Wie es so weit kommen konnte, beschäftigt nun die Behörden und die Öffentlichkeit gleichermaßen. Noch ist nicht klar, wie der Attentäter in die Innenstadt gelangt ist. Die U-Bahn als Anreisemittel gilt als unwahrscheinlich, möglich, dass der Schütze von einem Komplizen in der City abgesetzt wurde. Zuletzt wurde vermehrt Kritik an den Behörden laut. Am Montag nannte der Vorarlberger Landesrat Johannes Rauch (Grüne) das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) einen "veritablen Scherbenhaufen"

IS-Sympathien seit 2016

Das mögliche Behördenversagen wird auch durch einen Bericht des "Falter", der am Dienstag veröffentlicht wurde, nicht unwahrscheinlicher. Wie die Wochenzeitung schreibt, nennt ein dem Innenminister Karl Nehammer nahe stehender Beamte das BVT "komplett im Chaos versunken". Außerdem veröffentlichte der "Falter" auch ihm zugespielte Gerichts- und Gesprächsprotokolle des Attentäters, der sich am 25. April 2019 vorm Landesgericht für Strafsachen in Wien verantworten musste. Der radikale Islamist wurde zu eine 22 monatigen Haftstrafe verurteilt, aus der am 5. Dezember 2019 frühzeitig entlassen wurde.

In dem Protokoll gibt der spätere Attentäter an, seit klein auf gläubig gewesen zu sein. Ende 2016 habe das "mit der IS-Sache in der Moschee begonnen". Dort habe es Leute gegeben, die über die Sache redeten und "versucht haben, mich davon zu überzeugen". Vom IS habe er sich ein "schönes, besseres Leben" erwartet. Ein Derad-Betreuer ("Derad" ist eine Stelle für Deradikalisierung, Anm.) notierte, dass die Gemütslage des Islamisten mit naiv wohlwollend umschrieben sei. 

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    Bei dem Sturmgewehr gehen die Ermittler davon aus, dass es sich um eine "Zastava M70" handelt.
    Bei dem Sturmgewehr gehen die Ermittler davon aus, dass es sich um eine "Zastava M70" handelt.
    LPD Wien

    Anschläge verurteilt

    Vor Gericht sagte jener Mann, der wenige Monate später zum Mörder wurde, aus, dass er sich in Diensten der Terrormiliz Islamischer Staat nicht getraut hätte, ein Selbstmordattentat auszuführen. Auf die Frage was er getan hätte, wenn jemand verlangt hätte, jemanden den Kopf abzuschneiden, antwortete der Befragte: "Ich weiß nicht ob ich das gemacht hätte". Über die Anschläge in Sri Lanka sagte er: "Das finde ich nicht gut, dass die das gemacht haben. Der Richter entgegnete: "Warum hätten Sie es vor einem Jahr noch gut gefunden? -"Die Sache mit den Anschlägen habe ich von Anfang an nicht gut gefunden, dass man Leute, Zivilisten, tötet". 

    Ob er schon damals ein falsches Spiel gespielt hat, oder sich nach der Verhandlung erneut radikalisiert hatte, ist nicht derzeit nicht bekannt und Gegenstand intensiver Ermittlungen. Jedenfalls bekannte der spätere Todesschütze vor Gericht, dass er "damit nicht mehr zu tun haben" möchte, jetzt andere Wege gehen wolle. An diesem Tag wurde er wegen der Mitgliedschaft bei einer terroristischen Vereinigung zu 22 Monaten verurteilt. 

    Labile Persönlichkeit

    Bei "Derad" gibt es 31 Gesprächsberichte mit dem Wien-Attentäter, einige davon bekam der Falter zu Gesicht. In der Öffentlichkeit ist mittlerweile bekannt, dass er noch wenige Tage vor seiner Tat die Lehrer-Enthauptung in Frankreich verurteilte. Der zuständige Betreuer beschreibt den 20-Jährigen als zerissenen, labilen Burschen, der bei manchen Themen nicht aufnahmefähig sei. So rede er nicht über seine Eltern und den IS. An einer Stelle heißt es: "Der Klient scheint nicht in hohem Maße ideologisiert zu sein. Die Motive für seine Ausreise sind woanders zu suchen." Noch am 2. Oktober 2020 hält der Betreuer fest, dass der Klient keinen Termin versäume und stets gewissenhaft pünktlich erscheine. 

    Offenbar gab es aber auch das andere Leben, jenes indem Kontakte zur Islamsten-Szene im In- und Ausland gepfelgt wurde. So kam es in den Tagen nach dem Anschlag sowohl in Deutschland, als auch der Schweiz zu Razzien. Warum die Behörden nicht schneller und energischer auf die Nachricht, dass sich der Wiener Islamist in der Slowakei schwere Munition besorgen wollte, reagierten, ist nun Gegenstand von Ermittlungen. Mittlerweile gab auch Innenminister Karl Nehammer Fehler in den Behörden zu. 

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      Die Wiener trauern und gedenken der Opfer des Terroranschlags.
      Die Wiener trauern und gedenken der Opfer des Terroranschlags.
      Helmut Graf