In den Vereinigten Staaten könnten Polizei und andere Strafverfolgungsbehörden bald Personen festnehmen und inhaftieren, auch wenn keinerlei bewiesene Straftaten vorliegen: Die Administration von Donald Trump prüft derzeit offenbar, das sogenannte Habeas Corpus auszusetzen. Der Schritt hätte nicht nur für Migranten, sondern für alle in den Vereinigten Staaten lebenden Personen potenziell schwerwiegende Folgen.
Denn Habeas Corpus gibt als Teil der US-Verfassung jeder inhaftierten Person das Recht, eine Überprüfung der Haft anzufordern. Laut der Verfassung darf dieses Recht nur ausgehebelt werden, wenn es die öffentliche Sicherheit wegen einer Invasion oder eines Aufstandes erfordert.
Der Zustand einer Invasion ist laut Stephen Miller, einem hochrangigen Berater im Weißen Haus, durch illegale Einwanderungen gegeben: "Die Verfassung ist eindeutig, dass das Privileg des Habeas Corpus in Zeiten der Invasion ausgesetzt werden kann", sagte er am Freitag. "Wir prüfen diese Option aktiv – vieles hängt davon ab, ob die Gerichte das Richtige tun oder nicht."
Der Jura-Professor und Experte für Habeas Corpus, Lee Kovarsky, spricht gegenüber CNN von einem "historischen nationalen Desaster", falls der Verfassungsartikel von der Regierung tatsächlich suspendiert werden sollte. "Die Exekutive könnte einfach Personen verhaften, und diese hätten keine Rechtsmittel, um sich zu wehren", warnt er. Die Trump-Regierung würde bei einer Aussetzung wohl vor allem bestimmte Nicht-US-Bürger verhaften, doch bei einer Aussetzung drohen auch Staatsbürgern willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen.
Die Verfassung hält laut dem Experten eindeutig fest, dass die Aussetzung des Habeas Corpus nur bei tatsächlichen Rebellionen oder Invasionen erfolgen darf. "Und der Kongress hat noch nie ein Gesetz verabschiedet, das Abschiebungen ohne gerichtliche Mitwirkung zulässt", sagt Kovarsky hinsichtlich Millers Drohung an die Gerichte. Die Regeln für eine Aussetzung von Habeas Corpus seien so restriktiv, weil diese so große Auswirkungen habe: "Sie haben dann absolut keinen Anspruch auf ein Gericht, vor dem man argumentieren könnte, dass man zu Unrecht inhaftiert wurde", warnt der Rechtsprofessor.
In der US-Geschichte wurde Habeas Corpus bislang viermal zeitweise ausgesetzt: Zum ersten Mal von Abraham Lincoln während des Bürgerkrieges, wenig später im Bundesstaat South Carolina zur Bekämpfung des Ku-Klux-Klans. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das Recht 1905 in den damals US-beherrschten Philippinen für mehrere Monate suspendiert, in Hawaii nach dem Angriff auf Pearl Harbor gar für fast drei Jahre.