Gesundheit

Warum ein Anti-Wurmmittel kein Corona-Medikament ist

Zahlreiche Amerikaner therapieren sich auf eigene Faust mit dem Wurmmittel Ivermectin. Warum davor gewarnt wird.

Sabine Primes
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Von Ivermectin besser die Finger lassen!
Von Ivermectin besser die Finger lassen!
REUTERS

Zuerst war es das Desinfektionsmittel, das angeblich vor Corona schützt. Angefangen von Ex-US-Präsident Trumps Idee, Desinfektionsmittel zu spritzen, ging die Hysterie sogar so weit, dass Menschen Desinfektionsmittel  - als Schutz vor einer Infektion - tranken und an der Vergiftung starben. 

Ivermectin wurde als nächstes "Wundermittel" ausgelobt - und wird in Indien sogar gegen Corona verwendet. Eigentlich ist Ivermectin ein günstiges Arzneimittel, das zur Behandlung von Parasiten wie Darmparasiten bei Tieren und Krätze beim Menschen zum Einsatz kommt. Es ist billig und wird häufig in Regionen der Welt verwendet, in denen Parasitenbefall häufig ist. Seit gut einem Jahr wird Ivermectin jedoch auch als Behandlungsoption zur Vorbeugung und Therapie von Covid-19 gehandelt. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA (European Medical Agency) und die Weltgesundheitsorganisation WHO raten derzeit vom Einsatz von Ivermectin zur Behandlung von COVID-19 ab. Auch die US-Arzneimittelbehörde warnt davor. 

Der Grund für den Hype

Der Grund war unter anderem eine Laborstudie aus dem April 2020, wonach Ivermectin in Zellkulturen die Vermehrung des SARS-CoV-2-Virus hemmen konnte. Jedoch lag die verwendete Dosis weit über dem für Menschen unbedenklichen Maß. Diverse Lobbygruppen sahen sich dennoch dazu veranlasst, den Einsatz von Ivermectin als Medikament gegen COVID-19 zu forcieren. Insbesondere in Südamerika begannen viele Menschen auf eigene Initiative mit der Einnahme von Ivermectin. Auch in Österreich berichtet der Hersteller Infectopharm von einem Ansturm auf das Arzneimittel, nachdem dessen Einsatz in der benachbarten Slowakei empfohlen wurde.

Kein Vorteil im Vergleich zur Standardbehandlung

Laut des neu vorliegenden Cochrane Reviews zu Ivermectin gegen COVID-19 scheint das Medikament weder das Sterberisiko zu verringern, noch den Zustand von COVID-19-Patienten zu verbessern. Der Cochrane Review fasst die Ergebnisse von 14 Studien mit gesamt 1.678 Teilnehmern zusammen und unterzieht sie einer kritischen Bewertung.

In 13 dieser 14 Studien erhielten leicht bis mittelschwer erkrankte Covid-19-Patienten entweder eine Standardbehandlung, ein Scheinmedikament (Placebo) oder Ivermectin. 

Der Cochrane Review ging der Frage nach, ob die Gabe von Ivermectin die Zahl der Todesfälle unter Covid-19-Patienten senken kann, ob sich der Zustand der Infizierten durch die Therapie verbessert oder verschlechtert und welche Nebenwirkungen die Therapie nach sich zieht.

Dürftige Beweislage, weitere Studien laufen

Das Ergebnis: Es lassen sich keine Hinweise darauf finden, dass Ivermectin den Zustand von Erkrankten verbessert oder die Zahl der Todesfälle reduziert – verglichen mit einer Standardbehandlung oder einem Scheinmedikament (Placebo). Auch eine SARS-CoV-2-Infektion verhindern kann das Medikament nach den aktuell vorliegen Erkenntnissen nicht. Allerdings ist die Beweislage aktuell sehr dürftig und erlaubt keine endgültigen Aussagen.

Ob Ivermectin zur Vorbeugung von COVID-19 wirksam ist, können die bisherigen Studien nicht beantworten. Die Verlässlichkeit der im Review zusammengefassten Studienergebnisse schätzen die Autoren zudem als niedrig bis sehr niedrig ein.

Aktuell laufen noch größere Untersuchungen, die die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit von Ivermectin gegen COVID-19 analysieren. Sind diese abgeschlossen, wird eine sicherere Einschätzung möglich sein. 

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