War es Mord?

22-Jährige starb nach Überdosis: "Dachte, sie schläft!"

Eine 22-jährige Wienerin starb nach einer Drogenüberdosis. Zwei Bekannte waren zwar in der Wohnung, riefen aber keine Rettung – nun war Prozess.
Christoph Weichsler
31.07.2025, 20:00
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Es ist ein Fall, der sprachlos macht. Ein 29-Jähriger soll einer Bekannten (22) in einer Wohnung in Wien-Favoriten Morphium gespritzt haben. Die Frau starb an einer Überdosis – weil niemand Hilfe holte. Nun mussten sich der 29-Jährige und ein 19-Jähriger vor Gericht verantworten – wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang bzw. unterlassener Hilfeleistung.

Beide Verdächtige hatten mit der Frau die Nacht auf den 23. Oktober 2024 in einer Wohnung in Wien-Favoriten verbracht. Der 29-Jährige spritzte dem 19-Jährigen auf eigenen Wunsch eine Dosis Heroin – und der 22-Jährigen Morphium. Als sie leblos nach hinten kippte, rief niemand Hilfe. Und so starb die junge Frau an einer Überdosis– obwohl ihr Tod laut Gutachter mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeidbar gewesen wäre.

Drogenparty in Favoriten

Die beiden Angeklagten bekannten sich Donnerstag (31.7.) vor Gericht schuldig. Die verhängnisvolle Oktobernacht wurde noch einmal rekonstruiert. Die drei Bekannten hatten sich in der Wohnung in Favoriten zu einer Drogenparty verabredet, die Mieterin war auf Urlaub. Gemeinsam konsumierte man zuvor in einem Park bei der Gumpendorfer Straße Alkohol, Benzodiazepine, Amphetamine und Crystal Meth. Dann ging es in der Wohnung weiter. Die beiden Männer spritzten sich Heroin.

29-Jähriger setzte Frau Spritze an

Als die junge Frau stark zu zittern begann – offenbar aufgrund von Entzugssymptomen – bat sie laut Aussage des älteren Angeklagten um eine Morphium-Injektion in den Unterarm. "Sie hat so stark gezittert. Ich habe Mitleid gehabt und die Nadel angesetzt. Abgedrückt hat sie selber", beteuerte der 29-Jährige.

In der Drogenszene sei so ein Verhalten "nichts Ungewöhnliches." Er habe angenommen, sie wisse, was sie tue, und habe die Dosis im Griff. Doch kurz nach der Injektion verlor die Frau das Bewusstsein, erlitt eine Atemlähmung. "Ich hätte nie gedacht, dass es so weit kommt!"

Männer gingen einfach heim

Als die Frau leblos in der Wohnung lag, verstrichen wertvolle Minuten. Niemand rief die Rettung. Der Jüngere verließ die Wohnung, wollte angeblich bei einer Nachtapotheke das Gegenmittel Naloxon holen. Doch zurück kam er nicht mehr. "Die Tür war versperrt", so der 19-Jährige. Nach einer halben Stunde ging auch der 29-Jährige, schwankte nach Hause zu seiner Freundin. Die 22-Jährige starb in der Wohnung an den Folgen der Überdosis. "Ich hab' mir zuerst gedacht, sie schläft", erklärte der 29-Jährige. Er gab aber an, er habe Angst gehabt, die Polizei könnte ihm seine Medikamente wegnehmen.

Anwalt der Opfer-Familie: Sascha Flatz fordert 42.000 Euro für die Mutter, 5.000 Euro für die Schwester der Verstorbenen.
Sabine Hertel

"Man hätte ihr Leben retten können"

Der Gutachter spricht später von einer Morphin-Vergiftung mit Atemlähmung als Todesursache – die Kombination mit den anderen Drogen habe die Wirkung verstärkt. Doch mit rascher Hilfe, Wiederbelebung und Notruf hätte man ihr Leben "mit hoher Wahrscheinlichkeit retten können", so der Experte. Die Minuten, die nach dem Zusammenbruch verstrichen, wurden zum Todesurteil. Der Notruf kam nie – obwohl die Verdächtigen ein Handy dabei hatten. Stattdessen wurde erst am nächsten Tag die Mutter der jungen Frau verständigt. Da war ihre Tochter aber bereits tot.

"Ich war komplett überfordert"

Im Gerichtssaal herrschte während der Verhandlung beklemmende Stille. Beide Männer wirkten angeschlagen – vor allem der mehrmals vorbestrafte Ältere, gezeichnet von jahrelangen Drogenkonsum. Mehrfach entschuldigte er sich. "Ich war komplett überfordert und stand dermaßen unter Drogen", so der Angeklagte. Sein Handy, das keine SIM-Karte hatte, wäre dennoch für einen Notruf tauglich gewesen – auch das bestätigte die Richterin.

Der jüngere Angeklagte schwieg. Sein Verteidiger sprach von einer Kurzschlussreaktion, Panik, Überforderung. Man habe nie gewollt, dass es so weit kommt. Das Opfer sei eine Freundin gewesen.

Mordverdacht: Gab es einen Vorsatz?

Ein Urteil gab es am Donnerstag nicht. Das Gericht erklärte sich im Fall des älteren Angeklagten für nicht zuständig. Der Schöffensenat ortet einen Mordverdacht – daher soll das Verfahren nun vor einem Geschworenengericht verhandelt werden.

Im Verfahren gegen den jüngeren Mann ändert sich zwar der Tatbestand nicht – es bleibt bei der unterlassenen Hilfeleistung –, aber auch sein Fall wird mit dem des Älteren gemeinsam neu aufgerollt. Beide Verteidiger haben Berufung eingelegt, die Entscheidung liegt nun beim Obersten Gerichtshof. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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Opfer-Anwalt Flatz fordert 47.000 Euro

Für die Familie der jungen Frau war die Verhandlung kaum auszuhalten. In den Pausen versuchte die Mutter, Haltung zu bewahren, doch Tränen liefen. Die Schwester des Opfers zeigte sich gefasst, aber erschüttert. Der Anwalt der Familie, Sascha Flatz, forderte 42.000 Euro Schadenersatz für die Mutter, 5.000 Euro für die Schwester – in Summe also 47.000 Euro. Doch jetzt heißt es erst einmal: Alles zurück auf Anfang.

{title && {title} } CW, {title && {title} } Akt. 01.08.2025, 08:28, 31.07.2025, 20:00
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