Düstere Umfrage

82 % der Israelis für Vertreibung aller Gaza-Bewohner

Diese Umfrage-Ergebnisse schocken die Welt: Eine überwältigende Mehrheit jüdischer Israelis will alle Palästinenser aus dem Gazastreifen vertreiben.
Newsdesk Heute
04.06.2025, 18:30

Israel schlägt einen düsteren Weg ein: 82 Prozent der jüdischen Israelis sind inzwischen für die Vertreibung aller Bewohner des Gazastreifens, 56 Prozent wollen sämtliche Palästinenser aus Israel ausweisen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage im März diesen Jahres hervor. Die Ergebnisse veröffentlichten Tamir Sorek von der Pennsylvania State University und der Historiker Shay Hazkani Ende Mai in der regierungskritischen israelischen Tageszeitung "Haaretz".

Diese Zahlen markieren einen enormen Anstieg gegenüber einer ähnlichen Umfrage aus dem Jahr 2003 als Teile des Gazastreifens noch von Israel besetzt waren. Damals befürworteten 45 Prozent bzw. 31 Prozent der Befragten solche Ausweisungen, erinnern die Autoren.

Auch andere unangenehme Fragestellungen offenbarten tiefe menschliche Abgründe: So bekundete demnach fast die Hälfte der Befragten Unterstützung für einen Genozid. Der Frage, ob sie der Position zustimmten, dass die israelische Armee "bei der Eroberung einer feindlichen Stadt so handeln sollte, wie die Israeliten bei der Eroberung von Jericho unter der Führung von Josua, nämlich alle Einwohner zu töten", stimmten 47 Prozent zu.

Über die Umfrage

Sie wurde im März von der Pennsylvania State University in Auftrag gegeben und von Tamir Sorek für das israelische Meinungsforschungsinstitut Geocartography Knowledge Group (GCKG) durchgeführt. Eine standardisierte Gewichtung nach demografischen Schlüsselfaktoren machen die Antworten der 1.005 befragten jüdische Israelis repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.

"Albtraum unseres Lebens"

Ron Gerlitz, geschäftsführender Direktor von aChord, einem mit der Hebräischen Universität Jerusalem verbundenen Meinungsforschungsinstituts, äußerte sich auf Facebook zum Umfragedesign mit Forced-Choice-Fragen. Dass es bei Soreks Umfrage keine neutrale Antwortmöglichkeit – die Teilnehmer mussten sich positiv oder negativ positionieren – gab, habe einen ungewöhnlich hohen Zustimmungswert ergeben, sagt er.

In früheren Umfragen zu dem Thema, die einen Mittelweg boten, hatte rund ein Viertel der Befragten diesen auch gewählt, erklärt er weiter. Mit Blick auf deren Ergebnisse läge die Unterstützung der jüdischen Bevölkerung in Israel für eine Zwangsvertreibung der Gaza-Bewohner nach seiner Einschätzung nicht bei 80 Prozent, sondern bei "nur" 60 Prozent.

"Die Ergebnisse der Haaretz-Studie zur Zwangsvertreibung arabischer Bürger gehören zu den schockierendsten, die ich je über die öffentliche Meinung in Israel gelesen habe", sagt aber auch Gerlitz.

Er hofft auf eine Trendwende: "Die Zukunft ist noch nicht geschrieben und in dieser Hinsicht stimme ich den Worten von Sorek und Hazkani am Ende des Artikels zu: 'Dieser Prozess ist nicht deterministisch'. Die israelische Öffentlichkeit kann sich für eine endlose Fortsetzung des Krieges oder für eine politische Lösung entscheiden, die dem Albtraum und dem gegenseitigen Töten von Israelis und Palästinensern ein Ende setzt."

Alles hänge vom demokratisch-liberalen Lager in Israel ab: "Im tiefsten Sinne liegt die Zukunft des Landes und unseres Lebens in ihren Händen: Werden sie die Idee einer Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen (mit Gewalt oder 'freiwillig') unterstützen bzw. schweigen und sich damit Netanjahu und der extremen Rechten anschließen und Zerstörung anrichten, oder werden sie eine historische Führungsstärke entdecken und eine politische Lösung fordern, die uns aus diesem Albtraum unseres Lebens herausholt?"

Schon zehntausende Tote

Der abscheuliche Terror-Anschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 forderte mehr als 1.200 Tote, die meisten darunter Zivilisten. Zahlreiche Opfer wurden verschleppt, einige werden immer noch als Geiseln gehalten. Israels Regierung unter Premier Benjamin Netanjahu antwortete ihrerseits mit Waffengewalt riesigen Ausmaßes.

Inzwischen liegt Gaza in Schutt und Asche, laut Angaben der Palästinenser-Behörden wurden bereits mehr als 50.000 Menschen durch die israelische Armee getötet. Die humanitäre Lage für die Überlebenden und Geflüchteten ist – auch dank monatelanger Blockade von Hilfslieferungen durch Israel – katastrophal. Immer noch gelangen nur unzureichende Mengen von Hilfsgütern in das Kriegsgebiet.

Die gesamte Bevölkerung sei von einer Hungersnot bedroht, sagte Jens Laerke, Sprecher des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten (Ocha), am Freitag in Genf. Der Gazastreifen sei "der Ort mit dem größten Hunger auf der Welt".

Israel hält trotz der wachsenden internationalen Kritik an seinem Kurs fest. Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir forderte jüngst eine Offensive mit "voller Härte" im Gazastreifen. Es sei an der Zeit, "ohne mit der Wimper zu zucken" voranzugehen, die "Hamas zu zerstören und bis zum letzten Mann zu töten", ließ er via Telegram wissen.

Zugleich machte Israel seinen Anspruch auf das besetzte Westjordanland deutlich. "Wir werden den jüdischen israelischen Staat hier auf diesem Boden errichten", so Verteidigungsminister Israel Katz.

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 04.06.2025, 22:46, 04.06.2025, 18:30