Aggressiver Tumor

Ärztin rät "Chakren-Harmonisierung" – dann ist Frau tot

Die Bundesstelle für Sektenfragen hat ein starkes Plus an Beratungsfällen verzeichnet. Im Zentrum sind dabei oftmals familiäre Dramen.
Leo Stempfl
28.06.2025, 10:50
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Die Bundesstelle für Sektenfragen hatte 2024 deutlich mehr zu tun als im Vorjahr. Laut dem aktuellen Bericht, der nun im Parlament präsentiert wurde, stiegen die Kontakte um über ein Drittel. Besonders oft ging es um Esoterik, Coaching-Angebote – und um Kinder, die durch Gruppenzugehörigkeit gefährdet sein könnten.

Im Jahr 2024 registrierte die Bundesstelle 1.957 Kontakte, was einem Anstieg von 36Prozent im Vergleich zu 2023 entspricht. In 483 Fällen wurde eine weiterführende Beratung durchgeführt – das bedeutet ein Plus von 20Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Anfragen kamen laut Bericht größtenteils aus dem familiären oder sozialen Umfeld betroffener Personen.

Die meisten Beratungsfälle betrafen: Esoterik (143 Fälle), Christlich geprägte Gruppen (142 Fälle), Psychologisch-spirituelle Bewegungen (60 Fälle), Coaching-Angebote (51 Fälle), Verschwörungsideologische Inhalte (45 Fälle) und Pseudomedizinische Praktiken (33 Fälle). Weitere Themen umfassten unter anderem radikale Glaubensgemeinschaften, sogenannte neureligiöse Bewegungen und auch satanistische Gruppen.

Kindeswohl besonders im Fokus

Ein Schwerpunkt im Bericht liegt auf der Situation von Kindern und Jugendlichen. Die Bundesstelle hebt hervor, dass das Kindeswohl gefährdet sein kann – etwa durch rigide Rollenbilder, medizinische oder schulische Vernachlässigung oder soziale Isolation im Kontext bestimmter Gruppenzugehörigkeiten. Solche Sachverhalte werden an die zuständigen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe weitergeleitet.

Im Bericht wird auch auf die Aktivitäten der Organisation "Sag Nein zu Drogen" hingewiesen, die laut Bundesstelle der Scientology-Organisation zuzurechnen ist. Die Gruppe tritt in der Öffentlichkeit durch Informationskampagnen – etwa in Schulen – auf. Dabei kritisiert die Bundesstelle eine fehlende Offenlegung des ideologischen Hintergrunds, was problematisch sei.

Teilweise Todesfälle

Der 87 Seiten starke Bericht enthält nicht nur Zahlen und Entwicklungen, sondern auch mehrere Dutzend anonymisierte Fallbeispiele. So wandte sich etwa ein Herr an die Stelle und erkundigte sich nach einer gewissen Organisation. Seine verstorbene Frau war viele Jahre Mitglied und die Gruppenleiterin wäre auch ihre Ärztin gewesen.

Als sie Schmerzen gehabt habe, hätte die Ärztin diese nicht weiter untersucht, sondern ihr eine "Chakrenharmonisierung" empfohlen. Wie sich später herausstellte, war die Ursache der Schmerzen ein aggressiver Tumor. Kurz nach der Diagnose war sie tot. Die Angelegenheit wäre nun schon einige Jahre her, aber Herr X leidet noch immer darunter und möchte andere warnen.

Online-Hexe heilt wider Willen

Teilweise gibt es aber auch eher kuriose Vorfälle. So meldete sich ein anderer Mann telefonisch bei der Bundesstelle, um anzufragen, was er tun könne. Seine Großmutter hätte für ihn und seine Frau Heilungsangebote bei einer Online-Hexe gekauft. Und auch wenn er selbst nicht daran glaube, störe es ihn, dass jemand ihn ohne seine Zustimmung energetisch beeinflussen könne.

Außerdem sei die Großmutter im persönlichen Kontakt permanent übergriffig, führe Heilungsrituale durch und würde im Namen der Hexe für ihn beten. Dasselbe tue sie auch für den Rest der Familie, die das Ganze aber eher ignorieren könnte. Herr Y möchte den Kontakt zu seiner Oma nicht abbrechen, wüsste aber nicht mehr weiter.

{title && {title} } leo, {title && {title} } Akt. 28.06.2025, 12:29, 28.06.2025, 10:50
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