Krisen als Kernthema

Wie "Wir schaffen das" den AfD-Aufstieg auslöste

Die AfD erstarkte nach 2015 rasant, nutzte die Flüchtlingskrise als Kernthema und stellt nun der Union die Spitzenposition streitig.
Newsdesk Heute
23.08.2025, 17:01
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Mitte 2015 war die AfD fast weg vom Fenster, dann kam der Flüchtlingssommer und plötzlich hatte sie wieder ein neues Kernthema. Fast zeitgleich mit der steigenden Zahl an Flüchtlingen kletterten auch die Umfragewerte der Rechtsaußenpartei nach oben. Trotz ihrer eigenen Radikalisierung wächst sie bis heute weiter und macht mittlerweile sogar der Union den Platz als stärkste politische Kraft streitig. Wie konnte das passieren?

Wie war die Lage bei der AfD im Sommer 2015?

Im Hochsommer 2015 lag die AfD bei gerade einmal drei bis fünf Prozent. Intern gab es ordentlich Zoff: Parteichef Bernd Lucke scheiterte beim Parteitag in Essen mit seiner Wiederwahl, danach übernahmen Frauke Petry und Jörg Meuthen gemeinsam das Ruder. Viele sahen damals im neuen Spitzenduo einen Rechtsruck, aus heutiger Sicht gelten sie aber als eher gemäßigt.

Inhaltlich tat sich die AfD damals schwer: Ihr ursprüngliches Hauptthema, die Finanz- und Währungskrise, war vorbei und sorgte ohnehin nicht für große Aufregung in der Gesellschaft. Mit dem Thema Flüchtlinge war das aber anders. Zwar gab es in der Bevölkerung eine starke Willkommenskultur, aber auch Skepsis an Kanzlerin Angela Merkels Spruch "Wir schaffen das". Die Umfragewerte der AfD schossen schnell nach oben, schon im Sommer 2016 lag sie bei elf bis 13 Prozent.

Warum hat die Flüchtlingsbewegung der AfD so geholfen?

Die AfD hat sich – abgesehen von der CSU – als einzige größere Partei in Deutschland direkt migrationskritisch positioniert und fast alle anderen Themen darauf aufgebaut. Damit traf sie offenbar einen Nerv. "Die Flüchtlingsbewegung war eine ungewöhnliche Situation. Der AfD ist es gelungen, das als Krise zu framen", sagt Politologin Paula Diehl von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zur Nachrichtenagentur AFP.

Dieses "Framing" sei ein klassisches Mittel von Populisten: "Herausforderungen im öffentlichen Diskurs als bedrohliche Krise zu präsentieren", erklärt Diehl. Parteivize Alexander Gauland bezeichnete die Flüchtlingsbewegung Ende 2015 als "Geschenk für uns". Sie sei "sehr hilfreich gewesen" für die Entwicklung der Partei. "Natürlich verdanken wir unseren Wiederaufstieg in erster Linie der Flüchtlingskrise." Laut Diehl ist eine Krisensituation "die beste Chance für Populisten – insofern hatte Gauland aus seiner Perspektive recht".

Schon 2015 gab es laut Diehl "mehrere Probleme, die als Krise hätten dargestellt werden können und einen Nährboden für Populismus bieten: die Wirtschaftskrise, ein zunehmendes soziales Gefälle und ein starkes Gefühl, nicht gehört und repräsentiert zu werden." Populisten profitieren von Krisen, verstärken sie aber auch durch ihre Diskurse, so Diehl. "An diesen Krisen knüpfte die AfD an, inszeniert sie aber als Flüchtlingskrise."

Hat also Merkels Flüchtlingspolitik die AfD groß gemacht?

Merkel selbst bestreitet das. Am Ende ihrer Amtszeit 2021 lag die AfD bei elf Prozent – "dass sie jetzt bei 20 Prozent liegt, ist jetzt nicht mehr meine Verantwortung", sagte Merkel im Februar. Aus den 20 Prozent sind inzwischen 24 bis 25 geworden.

Für Politologin Diehl war aber auch der offene Migrationsstreit innerhalb der Union ein Vorteil für die AfD. Der damalige CSU-Chef Horst Seehofer, der Merkel immer wieder kritisierte, nannte die Migration im Jahr 2018 die "Mutter aller politischen Probleme". "Das hilft natürlich der Akzeptanz der AfD-Position", sagt Diehl.

Auch wegen der Streitereien in der Union sieht Diehl einen Widerspruch zwischen Kommunikation und Politik der Merkel-Regierung. "Sowohl die Maßnahmen als auch die Aussagen waren nicht kohärent", so Diehl. "Das hat zu einer Verschärfung der Krisenwahrnehmung beigetragen."

Wie hat die AfD seit 2015 das politische System verändert?

Erstmals ist seit 2015 eine große Partei rechts der Union entstanden. Alle Vorgänger von Merkel an der Parteispitze konnten das verhindern. Der Verfassungsschutz stufte die AfD als gesichert rechtsextremistisch ein, legte die Entscheidung nach einer Klage der AfD aber vorübergehend auf Eis.

Politologin Diehl sieht durch den Aufstieg der AfD auch eine Radikalisierung des politischen Diskurses. Thesen, die früher undenkbar waren, werden akzeptiert, Rechtspopulisten werden zum Mainstream.

{title && {title} } red, {title && {title} } 23.08.2025, 17:01
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