Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte am Dienstag überraschend seine Bereitschaft, innerhalb von 60 bis 90 Tagen Neuwahlen abzuhalten – vorausgesetzt, die USA und die europäischen Staaten garantieren die Sicherheit des Landes. Der Vorwurf, der Krieg dauere nur an, weil er sich am Präsidentenamt festklammere und nicht abtreten wolle, sei schlicht falsch.
In einem Politico-Interview forderte US-Präsident Donald Trump die Ukraine zu Neuwahlen auf. Das Land bewege sich auf einen Punkt zu, an dem es "keine Demokratie mehr" sei, erklärte er und übernahm damit die Rhetorik, die aus dem Kreml bekannt ist. Russland erhebt immer wieder den Anspruch, Selenskyj sei nicht mehr legitim im Amt. Seit dem russischen Überfall im Februar 2022 fanden keine Wahlen in der Ukraine statt. Die reguläre Amtszeit des Präsidenten lief im Mai 2024 aus, die des Parlaments im August 2024.
Das geltende Kriegsrecht in der Ukraine verbietet ausdrücklich jede Form von Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen, solange das Land unter Beschuss steht. Um Wahlen abzuhalten, müsste demnach zunächst eine neue Rechtsgrundlage geschaffen werden. Selenskyj erklärte gegenüber Medien, er wolle seine Fraktion im Parlament – unter den genannten Bedingungen – darum bitten, entsprechende Gesetzesänderungen vorzubereiten.
Das ukrainische Gesetz lässt sich zwar ändern, jedoch sieht die Verfassung Parlamentswahlen erst nach der Aufhebung des Kriegsrechts vor. Verfassungsänderungen sind in Kriegszeiten verboten.
Unklar ist, ob und wie eine Beteiligung aller wahlberechtigten Ukrainerinnen und Ukrainer an der Wahl gewährleistet werden könnte. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind mehr als 5,8 Millionen ukrainische Staatsbürger aus dem Land geflohen, weitere Millionen leben in russisch besetzten Gebieten.
Zu Beginn seiner Amtszeit zog Selenskyj die Möglichkeit einer digitalen Abstimmung über die staatliche App Dija in Betracht. Kritikerinnen und Kritiker warnen jedoch vor Manipulationsrisiken, die eine "kremltreue Marionetten-Regierung" an die Macht bringen könnte. Zudem erschweren die anhaltenden russischen Angriffe auf die Energieversorgung eine zuverlässige Internetverbindung, was eine digitale Wahl vielerorts unpraktikabel machen könnte.