Australien macht ernst: Als erstes Land der Welt verbietet Australien am Mittwoch Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren die Nutzung von sozialen Medien. Konkret betroffen sind zehn Plattformen: Facebook, Instagram, X, Youtube, Snapchat, TikTok, Threads, Reddit, Twitch und die australische Streamingplattform Kick. Reine Messengerdienste wie WhatsApp und Discord oder beliebte Spieleplattformen wie Roblox sind vom Verbot nicht betroffen.
Grund für das Verbot sind die negativen Auswirkungen, die die intensive Nutzung sozialer Medien auf Kinder und Jugendliche hat. Laut Studien belastet der ständige Vergleichungsdruck mit Influencern das eigene Selbstwertgefühl und führt zu einem Anstieg psychischer Erkrankungen. Bekannt ist das nicht zuletzt durch eine vom Facebook- und Instagram-Mutterkonzern Meta durchgeführten Studie aus dem Jahr 2021.
Die darin enthaltenen Ergebnisse waren so erschreckend, dass sie nie veröffentlicht wurde. Ein Mitarbeiter brachte sie heimlich dennoch ans Tageslicht. Aus den durch diesen Leak veröffentlichten Dokumenten ging hervor, dass das Unternehmen wusste, dass seine Produkte zu Körperbildproblemen und Selbstmordgedanken bei Teenagern beitrugen, leugnete aber öffentlich die Existenz dieses Zusammenhangs.
Australiens Premier Albanese verteidigte das Verbot in einer Videobotschaft: "Verbringt Zeit mit euren Freunden und eurer Familie! Persönlich, von Angesicht zu Angesicht." Und weiter: "Vor allem solltet ihr die kommenden Schulferien sinnvoll nutzen, anstatt sie nur mit dem Handy zu verbringen", so Albanese.
Allein bei Facebook und Instagram sind über 500.000 Australier unter 16 Jahren betroffen. Ihre Konten werden in der Nacht auf Mittwoch vom Mutterkonzern Meta gelöscht. Die großen Plattformen sind erwartungsgemäß nicht glücklich mit dem Verbot und bezeichneten es als Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung, wollen sich aber daran halten.
Alle, außer "X" von Elon Musk. Er bezeichnete das Verbot als "hinterhältigen Versuch, den Internetzugang aller Australier zu kontrollieren". Er kündigte eine Klage gegen das Gesetz an. Kurz vor Inkrafttreten des Verbots nutzten 86 % aller Australier von 8 bis 15 Jahren soziale Netzwerke, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters mit Verweis auf Regierungsangaben.
Um das Alter zu kontrollieren, müssen nun Selfies hochgeladen werden, auf Basis derer das Alter geschätzt wird – aber auch Ausweise und Bankkonten können zur Verifizierung verwendet werden. Bei Verstößen gegen die Vorschriften drohen den Konzernen hohe Geldstrafen bis zu umgerechnet 28 Millionen Euro.
Doch nicht nur von den Online-Konzernen kommt Kritik. Auch Kinderschutzorganisationen äußerten Bedenken. "Pauschale Verbote entmündigen Kinder und Jugendliche und stehen in krassem Widerspruch zu ihrem in der UNO-Kinderrechtskonvention garantierten Recht auf digitale Teilhabe sowie den Aufbau von Medienkompetenz", sagte etwa Kai Hanke vom Deutschen Kinderhilfswerk zur "Neuen Osnabrücker Zeitung" – womit er in Australien vielfach zitiert wurde.
Für junge Menschen seien soziale Netzwerke ein "zentraler Ort des sozialen Austauschs und der Freizeitgestaltung", so Hanke. Verbote würden diese Kommunikationswege abschneiden und "Kindern einen Rückzugsort ihrer Lebenswelt ohne angemessenen Ersatz nehmen". Auch die NGO Digital Freedom Project des Libertären Abgeordneten im Parlament von New South Wales, John Ruddick, reichte Klage gegen das Gesetz ein.
Das Verbot sei ein "direkter Angriff auf das Recht junger Menschen auf freie politische Kommunikation" und "völlig übertrieben". Seiner Meinung nach sollte die Regierung besser in Programme investieren, die Kindern Medienkompetenz und den Umgang mit Sozialen Netzwerken beibringt, statt diese einfach zu verbieten.
Das "soziale Experiment" wird von elf Wissenschaftern der Stanford Universität, die von der australischen eSafety-Kommission beauftragt wurden, genau beobachtet und analysiert. Innerhalb von zwei Jahren sollen sie feststellen, wie sich das Verbot auf die Gesundheit der jungen Australier ausgewirkt hat – im Vergleich zu Ländern ohne Social-Media-Verbot.
Das Verbot wird jedenfalls weltweit aufmerksam beobachtet. Viele andere Länder spielen bereits seit Jahren mit dem Gedanken, Soziale Medien für Kinder und Jugendliche einzuschränken oder zu verbieten. Nicht immer geht es dabei um den Schutz der psychischen Gesundheit. Die totale Abschaltung sämtlicher sozialen Medien führte erst unlängst in Nepal zum Sturz der Regierung.
Als plötzlich keine Dienste mehr auf den Handys verfügbar waren strömte die überdurchschnittlich junge Bevölkerung die Straßen und stürmte in dem unorganisierten Aufstand Regierungsgebäude, Gerichte und Polizeistationen, plünderten und brannten Parlament, Regierungspalast und die Häuser von Ministern nieder. Zwei Tage später nahm die vom Militär eingesetzte Übergangsregierung das Verbot zurück – "Heute" berichtete.