Fünf Jahre nach dem Zusammenbruch des deutschen Dax-Konzerns Wirecard hat sich der österreichische Ex-Manager Jan Marsalek ein neues Leben in Russland aufgebaut. In Deutschland werden ihm bandenmäßiger Betrug, Untreue in besonders schwerem Fall sowie weitere Wirtschaftsdelikte vorgeworfen.
Daher setzte sich der Österreicher 2020 von Bad Vöslau nach Russland ab, wo er nun von mehreren Journalisten aufgespürt wurde. Das Recherche-Team stieß auf Fotos, Bewegungsprofile und gefälschte Papiere.
Demnach soll sich Marsalek inzwischen Alexander Michaelowitsch Nelidov nennen und im Dienste des russischen Geheimdienstes FSB stehen. Zudem soll er mit der russischen Agentin Tatjana Spiridonova liiert sein.
Fotos, die den Journalisten von "Spiegel", "ZDF", "PBS Frontline", "The Insider" und "Der Standard" vorliegen, zeigen das Paar bei einem Spaziergang durch Moskau. Auch an die Handynummer Marsaleks konnten die Journalisten gelangen. Dadurch gelangte man an brisante Daten.
Unter anderem konnte man herausfinden, dass Marsalek offenbar für Russland im Ukraine-Krieg gekämpft hat. So wurde sein Telefon am 21. Februar 2024 um 10.08 Uhr in der Nähe des Bahnhofs des russischen Grenzortes Mitrofanowka geortet, berichtet "Spiegel". Von dort aus sind es nur wenige Kilometer bis in die von Russland besetzte Ostukraine.
Auch eine Reise, die auf einen darauffolgenden Front-Urlaub hindeutet, konnte zurückverfolgt werden. Entlang der Bahnstrecke reiste Marsalek über Woronesch nach Moskau. Sein Ziel: Ein Fünf-Sterne-Hotel.
Auf den Kriegseinsatz des Ex-Managers deuten auch Fotos hin, die ihn in einer Kampfmontur der russischen Armee zeigen. Die Schutzweste ist hierbei mir dem russischen Kriegssymbol "Z" versehen.
Laut geleakten Informationen der russischen Grenzüberwachung soll Marsalek öfter ins Kriegsgebiet gereist sein. So soll er am 22. November 2023 vom derzeit von Russland besetzten ukrainischen Mariupol zurück nach Moskau gefahren sein.
Auch für die Krim scheint sich der Österreicher sehr zu interessieren. Mindestens fünfmal trat er die 28-stündige Zugfahrt von Moskau auf die annektierte Halbinsel an. Besonders brisant ist hier sein Reisegefährte.
Wer ist Jan Marsalek?
Jan Marsalek war ein ehemaliges Vorstandsmitglied von Wirecard. Der Österreicher, der in Klosterneuburg aufgewachsen ist, befindet sich seit Juni 2020 auf der Flucht und wird mit internationalen Haftbefehl, wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs sowie wegen besonders schwerer Untreue und weiterer Vermögens- und Wirtschaftsdelikte gesucht. Er gilt als Hauptverdächtiger der Bilanzfälschung bei Wirecard.
Es handelt sich um Leutnant Kirill D., Angehöriger der Spetsnaz, der russischen Spezialkräfte. Es wird vermutet, dass die beiden gemeinsam ins Kriegsgebiet reisten. Auch russische Sicherheitsquellen würden einen Font-Einsatz Marsaleks bestätigen. Ein weiteres Foto, das dem "Spiegel" vorliegt, zeigt den Ex-Wirecard-Manager mit einer Panzerfaust.
Da die Journalisten die Handynummer Marsaleks herausgefunden hatten, versuchten sie auch persönlich mit ihm zu sprechen. Ein erster Anruf wurde Anfang September jedoch weggedrückt. Mit einer Textnachricht hatte man dann allerdings mehr Erfolg.
Als sich ein Journalist bei ihm vorstellte, meinte Marsalek, dass sich dieser "verwählt" hätte. Damit endete der Chat-Verlauf allerdings nicht. So wurde beispielsweise gefragt, worüber die Journalisten mit ihm sprechen wollen.
Die Reporter schrieben daraufhin, dass sie Marsalek über ihre Kollegen befragen wollen, die er im Auftrag des FSB ausspioniert haben soll. Nach einiger Zeit antwortete der Österreicher nur: "Sehr interessante Gestalten."
Noch einige Male fragten die Journalisten, ob Marsalek nicht doch mit ihnen telefonieren möchte. Seine Antwort darauf war eben so kurz wie die vorherigen: "Sehr interessant." Damit brach der Kontakt endgültig ab.