Unter falschem Namen lebt Jan Marsalek jetzt in Russland. Seine Fake-Identität heißt unter anderem Alexander Nelidow und er wurde angeblich 1978 in Riga geboren. Das berichteten unter anderem der "Spiegel" und der "Standard" am Dienstag. Marsaleks derzeitiger Arbeitgeber ist der russische Geheimdienst FSB.
Im Jahr 2020 setzte sich der Österreicher von Bad Vöslau ins Ausland ab. Marsalek wird wegen Betrugs in Millionenhöhe gesucht. Im Zuge seiner Flucht soll er mindestens sechs falsche Identitäten angenommen haben. Seine Reise führte ihn schließlich über Belarus nach Russland.
In Moskau konnte ihn nun ein Recherche-Team von mehreren Journalisten aufspüren. Sie haben demnach eine aktuelle Handynummer des Ex-Managers. Auch zahlreiche Fotos des Ex-Managers wurden veröffentlicht – etwa in Schlips und Anzug auf dem Weg von der U-Bahn in die Zentrale des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB in Moskau.
Zwischen Januar und November 2024 sei sein Handy 304-mal in der Nähe der FSB-Zentrale in Moskau Lubjanka erfasst worden, berichtete das ZDF. Quellen in der russischen Hauptstadt hätten bestätigt, dass er für den russischen Dienst tätig sei.
Zudem soll Marsalek unter seiner nunmehrigen Identität Firmen in Moskau gegründet und sogar in der Ukraine im Kriegseinsatz gestanden haben. Datenanalysen belegten Reisen von ihm ins Kriegsgebiet in der Ostukraine und ins russisch besetze Mariupol.
Auch Fotos von Marsalek, auf denen er sich in Militärmontur präsentiert, sind an die Öffentlichkeit geraten. Auf der Uniform ist auch das russische Kriegssymbol "Z" zu sehen. Dies deutet auf einen möglichen Kampfeinsatz hin.
Jan Marsalek war ein ehemaliges Vorstandsmitglied von Wirecard. Der Österreicher, der in Klosterneuburg aufgewachsen ist, befindet sich seit Juni 2020 auf der Flucht und wird mit internationalen Haftbefehl, wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs sowie wegen besonders schwerer Untreue und weiterer Vermögens- und Wirtschaftsdelikte gesucht. Er gilt als Hauptverdächtiger der Bilanzfälschung bei Wirecard.
Die den Journalisten vorliegenden Fotos zeigen Marsalek auch häufig in Begleitung der 41-jährigen Übersetzerin Tatiana Spiridonova. Der Ex-Manager sei regelmäßig in ihrem Apartment im Zentrum Moskaus, berichteten die Medien. Auch sie soll im Dienste Russlands stehen.
Marsalek soll sie über einen Stanislaw Petlinski, einen hochrangigen Nachrichtendienstler, kennengelernt haben. In der Zeit, wo der Österreicher noch Wirecard-Manager gewesen ist, soll Petlinski – ebenso wie der Ex-Verfassungsschützer Martin Weiss – in der Münchner Villa Marsaleks zu Gast gewesen sein.
Aus Flugdaten und sichergestellten Chats von Marsalek, welche dem Recherche-Team vorliegen, geht hervor, dass auch Spiridonova in ihrer nachrichtendienstlichen Tätigkeit einen Österreich-Bezug vorweisen kann. Sie soll drei Smartphones österreichischer Spitzenbeamter in Istanbul übernommen und nach Moskau gebracht haben.
Es handle sich hierbei um jene Handys, die zuvor bei Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott gewesen sein sollen und über ihn an eine von Marsalek geleitete Gruppe bulgarischer Agenten übergeben worden sein sollen. Dem britischen Geheimdienst gelang es 2023, die bulgarischen Handlanger festzunehmen. Sie sitzen mittlerweile in Haft.
In Österreich hat die Wiener Staatsanwaltschaft Ott unterdessen aufgrund seiner nachrichtendienstlichen Tätigkeiten zum Nachteil der Republik angeklagt – dieser bestreitet die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.
Die deutschen Behörden haben mittlerweile ein Rechtshilfeersuchen an Moskau gestellt – mit keinem Erfolg. Marsalek ist weiterhin frei, die russischen Behörden geben an, seinen Aufenthaltsort nicht zu kennen.
Unklar ist auch, wohin der Österreicher sein Wirecard-Vermögen gebunkert hat. Laut Medienberichten sei sein Handy zwischen Jänner und Mai 2024 103-mal bei einer Filiale der Transkapitalbank in Moskau geortet worden. Der russische Bankkonzern wird von US-Behörden als "Herz der Sanktionsumgehung" bezeichnet. Hier könnte auch Marsalek seine Millionen versteckt haben.