Die Europäische Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen richtet erstmals eine eigene Geheimdiensteinheit ein. Ziel ist es, Informationen aus den nationalen Nachrichtendiensten der EU-Staaten künftig besser zu nutzen und gemeinsam auszuwerten.
Laut Insidern soll die neue Einheit innerhalb des Generalsekretariats der Kommission angesiedelt werden. Sie will Beamte aus den Nachrichtendiensten der Mitgliedstaaten aufnehmen und deren Erkenntnisse bündeln. Vier mit dem Vorhaben vertraute Personen bestätigten diese Pläne, berichtet die "Financial Times".
Ein Insider erklärt: "Die Geheimdienste der EU-Mitgliedstaaten wissen viel. Die Kommission weiß viel. Wir brauchen einen besseren Weg, all das zusammenzubringen und für unsere Partner effektiv nutzbar zu machen. Im Geheimdienst muss man etwas geben, um etwas zu bekommen."
Auslöser für den Schritt sind der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und Warnungen von US-Präsident Donald Trump, die amerikanische Sicherheitsunterstützung für Europa einzuschränken. Diese Entwicklungen hätten die EU dazu gebracht, ihre Sicherheitskapazitäten zu überdenken und die größte Aufrüstungsinitiative seit dem Kalten Krieg zu starten.
Ein Sprecher der Kommission bestätigte gegenüber der "Financial Times", man prüfe derzeit, "wie die Sicherheits- und Geheimdienstfähigkeiten gestärkt werden können. Im Rahmen dieses Ansatzes wird die Einrichtung einer speziellen Einheit innerhalb des Generalsekretariats in Betracht gezogen."
Er ergänzte: "Das Konzept wird derzeit entwickelt, die Gespräche laufen. Ein konkreter Zeitplan wurde noch nicht festgelegt. Die Einheit würde auf bestehender Expertise innerhalb der Kommission aufbauen und eng mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) zusammenarbeiten."
Widerstand kommt aus dem EAD, der bereits das Intelligence and Situation Centre (Intcen) betreibt – den bisherigen Nachrichtendienst der EU. Diplomaten befürchten, die neue Struktur könne dessen Arbeit verdoppeln und langfristig gefährden. Der Plan wurde noch nicht offiziell allen 27 EU-Mitgliedstaaten mitgeteilt, aber die Behörde beabsichtigt, Beamte aus nationalen Geheimdiensten zu entsenden.
Auch viele Hauptstädte stehen dem Plan skeptisch gegenüber. Vor allem Länder mit eigenen starken Geheimdiensten wie Frankreich teilen sensible Daten nur ungern. Zudem erschwert die pro-russische Haltung einzelner Regierungen, etwa in Ungarn, eine enge Kooperation.
Zwei mit dem Projekt vertraute Personen sagten, mehrere EU-Staaten würden sich gegen neue Geheimdienstbefugnisse für Brüssel stellen. Dennoch gebe es Zweifel an der Wirksamkeit des bisherigen Intcen, insbesondere im Umgang mit Russlands hybrider Kriegsführung. "Die Kommission wird nicht damit beginnen, Agenten vor Ort einzusetzen", betont ein Insider.
Die neue Einheit ist Teil einer breiteren Sicherheitsstrategie der Kommissionspräsidentin. Von der Leyen hatte bereits beschlossen, ein "Sicherheitskolleg" für EU-Kommissare einzurichten, um sie regelmäßig über Geheimdienstfragen zu informieren. Außerdem hat sie Schritte übernommen, den Waffenkauf für die Ukraine zu finanzieren und das Satellitenprojekt Iris² zu starten.
Die Zusammenarbeit von Geheimdiensten innerhalb der EU geht bis auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA zurück. Damals begannen die Nachrichtendienste von Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Spanien, Schweden und Großbritannien, geheime Sicherheitsanalysen gemeinsam zu nutzen.
Diese Zusammenarbeit wurde später institutionell verankert, auf weitere Mitgliedstaaten ausgeweitet und 2011 dem diplomatischen Dienst der EU unterstellt.