"I hob a Gänsehaut", rief Leonore Gewessler, als sie am Sonntagvormittag um kurz vor 11 Uhr auf die Bühne in der Wiener Messe kam, wo die Grünen ihren 47. Bundeskongress abhalten und die Politikerin mit 96,7 Prozent der Stimmen zur neuen Parteichefin gekürt haben.
'"Ich hab an ordentlichen Batzen Respekt gehabt vor diesem Moment", begann die Ex-Klimaministerin ihre frei gesprochene Rede. Fünf Jahre Ministerin zu sein, sei das eine – "aber jetzt ist das noch einmal etwas ganz anderes", so die 47-Jährige.
Wichtig sei, wieder stärker zuzuhören, was sich die Menschen von der Politik wünschen. Das sei in den letzten fünf Jahren vielleicht etwas zu kurz gekommen. "Wir haben uns verausgabt, alles gegeben in dieser Regierung." Immerhin sei der Koalitionspartner die ÖVP gewesen, sagt Gewessler. Lachen im Saal. Drei großen Krisen habe man sich in der Regierung mit der ÖVP gestellt, erklärt Gewessler: "Corona, Krieg, Kurz."
„Ich habe meinen Mann im Flugzeug kennengelernt – am ungrünsten Ort der Welt.“Leonore GewesslerEx-Ministerin, neue Grünen-Bundessprecherin
Es gehe ihr darum, die Sorgen der Menschen in grüne Politik umzusetzen. Sie sei im ganzen Land unterwegs gewesen in den letzten Wochen, habe zugehört, so Gewessler. Sie erzählt von einem Ehepaar, das ihr gesagt habe: "Wir können keine Grünen sein, denn wir haben ja ein Auto". Das habe ihr die Sprache verschlagen. Auch bei ihr und ihrem Mann Herbert stehe in der Garage daheim ein Auto.
Und, setzt die gebürtige Steirerin nach: "Ich habe meinen Mann im Flugzeug kennengelernt – am ungrünsten Ort der Welt. Ich bin so froh, dass ich in dieses Flugzeug gestiegen bin. Es war der beste Moment meines Lebens."
Sie wolle, dass alle Menschen "zu uns kommen". Auch die, die ein Auto haben. Die sich im Supermarkt zu den unteren Regalen bücken müssen, "weil sie sich die Waren mit den sieben Ökosiegeln nicht leisten können".
Dann kommt sie zum Klimathema, startet mit einer Frontal-Attacke auf SPÖ-Chef und Vizekanzler Andreas Babler, der vor der Wahl auch hinsichtlich Klima- und Umweltschutz viel versprochen habe, das man aber jetzt im Regierungsprogramm vergeblich suche: "Babler ist ein Klima-Zwergerl", so Gewessler. Für den Klimabonus habe die Regierung kein Geld mehr, dafür wolle man aber Milliarden in den Bau des Lobautunnels investieren.
„Dieses Budget wird konsolidiert auf dem Rücken der Frauen, Kinder, sozial Schwachen.“Leonore GewesslerEx-Ministerin, neue Grünen-Bundessprecherin
"Dieses Budget wird konsolidiert auf dem Rücken der Frauen, Kinder, sozial Schwachen." Für die Inflationsanpassung der Familienleistungen hätten die Grünen jahrelang gekämpft. Und jetzt schaffe die Regierung unter SPÖ-Beteiligung das wieder ab. Gewessler empört sich: "Die SPÖ ist nicht nur klimapolitischer, sondern auch sozialpolitischer Scheinriese." Das Budget von FPÖ-Che Herbert Kickl sei jetzt ein schwarz-rotes.
Nah an den Tränen dankte Gewessler ihrem Vorgänger und Mentor Werner Kogler. Standing Ovations. Gemeinsam werde man jetzt "neue Fußstapfen" setzen.
"Wir werden diesen Planeten nur retten, wenn wir das Leben der Menschen leichter machen", so Gewessler: "Da werden wir nicht stillhalten." Ziel der Grünen sei, "Anliegen der Menschen in Politik zu verwandeln". Man werde eine konstruktive Oppisition sein. Gute Vorschläge mittragen – "aber wenn's a Blödsinn ist, werden wir dagegen halten".