80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, ausgerechnet am Tag, an dem der sechs Millionen von den Nazis getöteten Juden gedacht wird, erschien die aktuelle Studie zum Antisemitismus in Österreich. 1.520 Vorfälle gegen Juden gab es im Vorjahr, das sind um ein Drittel mehr als im Jahr zuvor. Die Zahlen – es sind vier Angriffe pro Tag – ergeben sich aus der Auswertung der Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Viele Juden leben hier wieder in Angst, die Taten haben wieder einen Rekordwert erreicht.
Die Meldestelle hat eine Auswahl an typischen Fällen von Antisemitismus zusammengestellt. Hier ein sehr kleiner Auszug.
24. September, 1020 Wien: Dramatische Situation: Drei Jugendliche im schulpflichtigen Alter, welche durch ihre Bekleidung eindeutig als jüdisch erkennbar sind, überqueren eine Straße. Zwei deutlich ältere Jugendliche eilen herbei, einer davon stößt plötzlich einen der jüdischen Teenager gewaltsam zu Boden. Der Angreifer und sein Begleiter brüllen dabei "Free Palestine". Als eine Gruppe Männer herbeieilt, um den jüdischen Jugendlichen zu helfen, entfernen sich die Angreifer zügig.
11. November, 1010 Wien: In einer Straßenbahn am Ring hört eine Frau das Telefongespräch eines Fahrgasts mit. Der ältere Herr spricht laut und für alle hörbar abfällig über Juden. Er bezeichnet sie unter anderem als "Zecken”. Aus dem Bericht: „Die Frau beginnt, ihn heimlich zu filmen. Als er dies bemerkt, beschimpft er sie zuerst als 'Scheißjud', 'Drecksau' und 'Kindermörderin' (Anmerkung: sie ist nicht jüdisch)." Dann wird die Gewalt physisch: Der Mann schlägt die Frau, versucht ihr das Handy aus der Hand zu reißen.
4. Oktober, Niederösterreich: Ein Drohbrief wird an eine jüdische Institution versendet. Dem Brief liegt ein Gefäß mit unbekannter Flüssigkeit bei. Das Porto soll vom Empfänger entrichtet werden.
Juni 2024, 1020 Wien: Ein Stromkasten in einem Park wird mit „Kill Jews” ("Töte Juden") beschmiert. Die Polizei wird informiert, die Entfernung in die Wege geleitet (siehe Fotos oben)
12. November, Wien: Immer wieder entdeckt ein Lehrer Hakenkreuze, eingeritzt in die Tische. "Ihm zufolge würden Kolleginnen und Kollegen sowie Schulleitung dem jedoch keine Bedeutung beimessen", so der Bericht.
23. Februar, Online: Im bei Kindern beliebten Onlinespiel Brawlstars erhält ein 9-jähriges Kind eine Freundschaftsanfrage von einem Account mit dem Namen „LordJudenmord”. Die Eltern melden dies zwecks Dokumentation der Meldestelle (SCREENSHOT, siehe oben).
26. Juni, 1140 Wien: Schockierender Vorfall in den öffentlichen Verkehrsmitteln: "Eine Gruppe 12-jähriger Schülerinnen und Schüler, aufgrund der Bekleidung mehrerer Schüler als jüdisch erkennbar, befindet sich mir der Lehrerin auf dem Weg von einem Ausflug zurück in die Schule. In der U-Bahn telefoniert ein älterer Mann; als er die Kinder erblickt, beginnt er lautstark die Kinder als 'Juden, die sich wie Schweine benehmen' zu beschimpfen. Als die Gruppe sich daran machte, auszusteigen ruft er der Lehrerin zu, sie solle die 'Tiere aus der U-Bahn nehmen'."
3. April, 1150 Wien: Auf www.antisemitismus-meldestelle.at wird ein auf der Straße gefundenes Flugblatt eingereicht. In den Folgetagen werden ähnlich formulierte Flugblätter aus der gleichen Gegend zugesendet. Eines enthält einen expliziten Mordaufruf. Es wird Anzeige bei der Polizei erstattet.