Was wie eine Szene aus einem Film wirkt, ist für eine niederösterreichische Familie Realität geworden: Am 24. Oktober 2024 krachte ein Meteorit mitten in der Nacht auf das Dach von Familie Westermayr, die in einem Haus in der kleinen Katastralgemeinde Schudutz bei Haag wohnt. Die Familie hatte Glück, denn es kam niemand zu Schaden.
Mit nur 28,6 Gramm ist das besagte Fragment, das auf das Haus der Westermayrs fiel, zwar ein Leichtgewicht, aber in der Welt der Meteoriten eine echte Sensation. Denn, solche Ereignisse sind extrem selten. Es handelt sich um den ersten dokumentierten Hammerstein in ganz Österreich – also ein Meteorit, der beim Einschlag ein menschengemachtes Objekt getroffen hat.
Ab heute ist der spektakuläre Fund im Naturhistorischen Museum Wien (NHM) zu bestaunen. "Uns war wichtig, dass der Stein in Österreich bleibt und nicht irgendwo in einer Privatsammlung verschwindet", erzählt Markus Westermayr im Rahmen der Präsentation des Hammersteins.
Beim Einschlag war der Meteorit in mehrere Teile zerbrochen. Dass das NHM nun drei Fragmente zeigt, ist auch für die beiden Söhne der Familie ein Highlight. Im Rahmen der traditionellen Wien-Woche ihrer niederösterreichischen Schule, können sie demnächst mit der ganzen Schulklasse "ihren" Meteoriten besuchen.
Dass das Fundstück überhaupt im NHM gelandet ist, ist dem Engagement der Meteoritenexperten Vera Hammer und Ludovic Ferrière zu verdanken. Die beiden, die am NHM forschen, machten sich im berechneten Streufeld bei Haag auf die Suche und sprachen gezielt Anwohner an – so landeten sie auch bei den Westermayrs. Ferrière erkannte das Steinchen sofort als echten Meteoriten, rote Abriebspuren vom Ziegeldach bestätigten den Einschlag.
Das Westermayr-Stück ist nicht der einzige Fund: Bisher konnten fünf Brocken mit einer Gesamtmasse von rund 151 Gramm zusammengetragen werden. Der größte davon – 64,06 Gramm schwer – wurde erst am 5. April 2025 auf einem Acker bei Haag gefunden.
Der Hobby-Meteoritenjäger Benjamin Rudelstorfer hatte das Feld bereits fünfmal abgesucht. Beim sechsten Mal hatte er Glück und fand das Fragment, nur wenige Tage bevor umgeackert wurde.
"Kaum zu fassen, aber ich durfte der erste Mensch sein, der dieses Objekt nach seiner weiten Reise aus dem Asteroidengürtel, in Händen halten durfte", sagt Rudelstorfer. Für ihn sei der Moment magisch gewesen. Er musste an einen Sammlerfreund denken, dem im kurz davor noch sagte: "Wenn du einen Meteoriten gefunden hast, ist es eigentlich so, als hätte der Meteorit dich gefunden."
Der Asteroidenbrocken mit fast vollständiger Schmelzkruste sieht nach Monaten im Freien noch erstaunlich gut aus – erste Rostspuren in der Matrix sind aber erkennbar. Die Hauptmasse soll im Oktober bei den Münchner Mineralientagen erstmals öffentlich gezeigt werden.
Noch trägt der Meteorit den provisorischen Namen "Haag". Die offizielle Eintragung ins "Meteoritical Bulletin" läuft – und mit ihr eine groß angelegte Untersuchung von zehn Forschungseinrichtungen aus vier Ländern, koordiniert vom Institut für Planetologie in Münster.
Die wissenschaftliche Analyse ergab: Haag gehört zur seltenen LL4-6-Klasse der Chondrite – Meteoriten mit geringem Metallanteil und stark fragmentierter Struktur. Das deutet darauf hin, dass sein Mutterkörper im All eine turbulente Geschichte hinter sich hat.
Damit ist der Hammerstein von Haag einer der wenigen europäischen Meteoriten dieser Klasse. Weltweit sind bisher nur 94 Meteoriten mit dieser Einordnung registriert – die meisten davon aus der Antarktis oder den Wüsten Afrikas.
Durch den Fund des "Hammersteins von Haag" ist Österreich nicht nur um ein kosmisches Kuriosum reicher, sondern verfügt jetzt über ein echtes Stück Weltallgeschichte, das nun sicher verwahrt, aber für alle zugänglich, im Naturhistorischen Museum in Wien lagert.