Statt der erhofften Entspannung erlebt Österreich derzeit ein Wiederaufflammen der Inflation. Nach einem Anstieg auf 3,6 Prozent im Juli ist die Teuerungsrate laut einer ersten Schnellschätzung von Statistik Austria im August sogar auf 4,1 Prozent explodiert. Laut den Statistikern ist das der höchste Wert seit dem März des Vorjahres.
Neben der Politik hat die rasante Entwicklung auch Österreichs führenden Inflations-Experten Josef Baumgartner überrascht. Eigentlich sei man von einem Rückgang der Teuerungsrate in der zweiten Jahreshälfte ausgegangen. Einen Wert von "Vier-Komma-Irgendwas für die Sommermonate" hätte man so nicht erwartet, gesteht der Wifo-Ökonom.
Hauptschuldige für den Preisschub sind laut Baumgartner die Bereiche Energie und Dienstleistungen. Nach Ende der Strompreisbremse mit Jahreswechsel kletterten die Strompreise weiter. Hinzu käme der Wegfall dämpfender Effekte aus den Treibstoffpreisen. Anders als im Sommer 2024 sind diese heuer nicht gesunken, sondern praktisch gleichgeblieben. Unterm Strich lagen die Energiepreise im Juli 4,2 Prozent über dem Vorjahreswert, im August waren es laut aktuller Prognose sogar 5,9 Prozent.
Noch stärker ins Gewicht fallen die Dienstleistungen – darunter Mieten, Tourismus, Verkehr oder Gebühren. Dort lag die Teuerung zuletzt bei 4,7 Prozent (Juli: 4,5 Prozent). Ihr Einfluss ist enorm, weil sie fast die Hälfte des Warenkorbs ausmachen, der zur Berechnung der Inflation herangezogen wird. Besonders in Gastronomie und Hotellerie würden, so Baumgartner, die kräftigen Lohnabschlüsse von +6,0 Prozent voll durchschlagen.
Auch bei Nahrungsmitteln gibt es keine Entwarnung. Nach einem Plus von 4,8 Prozent im Juli, haben die Preise im Vormonat um 5,0 Prozent angezogen. Als Hauptgrund nennt Baumgartner globale Entwicklungen. Die Weltmarktpreise für Kaffee, Kakao und Orangen sind in die Höhe geschnellt – teils wegen klimawandelbedingter Ernteausfälle. Gleichzeitig fielen die saisonalen Preisrückgänge bei Obst und Gemüse heuer schwächer aus, während sich Rindfleisch-Importe wegen der Maul- und Klauenseuche in Ungarn und der Slowakei verteuerten.
Überraschend schwach hat sich zudem der Sommerschlussverkauf entwickelt, der ansonsten traditionell dämpfend auf die Preise wirkt. Von diesem Effekt sei heuer vergleichsweise wenig zu bemerken gewesen, sagt Baumgartner im Gespräch mit "Heute".
Und was könnte die Politik tun? Die könnte laut Baumgartner eingreifen, allerdings seien ihre Möglichkeiten in der aktuellen Budgetsituation begrenzt. So hat ja die öffentliche Hand selbst zuletzt kräftig zugelangt: Das Klimaticket wurde um fast 20 Prozent teurer, Führerschein- und Passgebühren sogar um rund 50 Prozent erhöht, die Befreiung von der motorbezogenen Versicherungssteuer für E-Autos ist weggefallen. Bereits zum Jahreswechsel wurden Rezeptgebühren, Vignette und Krankenhauskosten angehoben. Und erst zu Wochenbeginn verkündete die Stadt Wien Preissteigerungen von bis zu 30 Prozent bei Öffis und Parktickets.
"Das ist ein Weg zur Budgetkonsolidierung", erklärt Baumgartner. Ein Signal sei das aber auch: Die öffentliche Hand werde sich aktuell wohl nicht als großer Inflationsdämpfer erweisen. Gerade bei Energieversorgern, die häufig in staatlicher oder landeseigener Hand sind, gäbe es theoretisch Spielraum – praktisch sei das in der angespannten Budgetsituation jedoch "die Quadratur des Kreises". Einerseits wolle man inflationsdämpfend wirken, andererseits seien die Dividendeneinnahmen für die öffentliche Hand unverzichtbar.
Ganz besondere Bedeutung kommt heuer laut Baumgartner der Herbstlohnrunde zu. Die aktuell hohe Inflation sei ein schlechtes Vorzeichen für die Verhandlungen, weil die Gewerkschaft wahrscheinlich zumindest einen Inflationsausgleich einfordern werde. Basis für die Metallerverhandlungen dürften angesichts der Entwicklung gut 2,9 Prozent sein, beim Handel könnte die rollierende Inflation schon 3,0 Prozent ausmachen. Bei den Beamten dürfte die bereits im Vorjahr ausverhandelte Gehaltserhöhung bei "mindestens 3,3 Prozent" liegen – es sei denn, das Paket wird von der Bundesregierung noch einmal aufgeschnürt.
Und wie lange müssen die Österreicher noch durchhalten? Im "Heute"-Talk dämpft Baumgartner die Hoffnungen auf eine rasche Entspannung. Statt der ursprünglich fürs kommende Jahr erwarteten Durchschnittsinflation von 2,25 Prozent rechnet er nun mit einem Mittelwert von 2,5 Prozent. Das Inflationsziel von zwei Prozent, das sich EZB und Bundesregierung gesetzt haben, werde wohl erst Ende 2026 in greifbare Nähe rücken.