Politik

Kanzler spricht über größten Corona-Fehler in Österreic

Bundeskanzler Nehammer sieht eine "Rote Linie" überschritten – nicht nur bei Putin. Eine Koalition mit der radikalisierten Kickl-FPÖ schließt er aus.

Leo Stempfl
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Bundeskanzler Karl Nehammer gesteht ein: "Wir haben auch Fehler gemacht."
Bundeskanzler Karl Nehammer gesteht ein: "Wir haben auch Fehler gemacht."
Helmut Graf

Während viele Länder ein komplettes Öl- und Gasembargo gegen Russland fordern, lehnt Österreich ein solches kategorisch ab. Mit einem Zuwarten auf den Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, habe das aber nichts zu tun, sagt Bundeskanzler Karl Nehammer im Interview mit der deutschen Zeitung "Welt".

"Die rote Linie ist schon längst überschritten, indem zivile Städte angegriffen und bombardiert wurden." Die österreichische Situation bezeichnet er als "zutiefst widerwärtig". Man habe sich in eine Abhängigkeit begeben, die uns jetzt dazu zwingt, nach wie vor russisches Gas und andere russische Rohstoffe zu kaufen. Putin habe aber falsch eingeschätzt, dass Europa jetzt seine Energieversorgung völlig neu in Richtung Nachhaltigkeit orientiert.

Größter Corona-Fehler

Während in wenigen hundert Kilometern Entfernung der Krieg tobt, rumort es aber auch in Österreich gewaltig. Grund sind die Corona-Regeln. Am 5. März fielen fast alle Maßnahmen, doch dann habe man sehen müssen, "dass das Virus brutal flexibel ist", so Nehammer zur "Welt". Darauf müsse man genauso flexibel reagieren. "Aber das soll keine Ausrede sein, wir haben auch Fehler gemacht."

Und was war der größte? "Zu glauben, das Virus berechnen zu können, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes", erklärt der Bundeskanzler. Er sei ein Stück weit demütig geworden in der Frage, was Menschen überhaupt gegen ein Virus ausrichten können. "Es war etwa eine Fehleinschätzung, nach dem ersten Lockdown zu glauben, dass wir das Virus überwunden hätten."

Impfpflicht

Das schlagfertigste Instrument dazu sollte die Impfpflicht sein, die Anfang März aber überraschend ausgesetzt wurde. Auch jetzt würden weder die Normalstationen noch die Intensivbetten in Krankenhäusern überlastet sein, erklärt Nehammer. Diese Möglichkeit des Aussetzens war immer Teil der Konstruktion, es handele sich also nicht um ein Zurückrudern.

Trotzdem könnten nun weitere Maßnahmen folgen, die Masken sind in Innenräumen bereits zurückgekehrt. "Es wäre vermessen, das auszuschließen", stellt Nehammer in der "Welt" klar, "dann hätten wir aus zwei Jahren Pandemie nichts gelernt".

Neuwahl-Patt

Schlussendlich wird auch auf die jüngste "Heute"-Umfrage Bezug genommen. In dieser kommt die ÖVP unter Karl Nehammer auf nur noch 22 Prozent, nachdem es unter Sebastian Kurz 2019 noch 37,5 Prozent waren. Nehammer führt das sowohl auf die Chat-Affäre als auch auf das Fehlen von Sebastian Kurz zurück. Die Verdächtigungen seien schlecht für den Ruf der Partei, nun brauche es eine klare Linie.

Sollten es Neuwahlen geben, werden die Koalitionsverhandlungen denkbar schwierig. Türkis-Grün kommt nur noch auf 33 Prozent. Schließt er eine mögliche Koalition mit der FPÖ aus? "Derzeit – angesichts der Radikalisierung von Herbert Kickl – ja."