Zu viele Fehltage

Krankenstände – nun macht die KI Jagd auf Drückeberger

Anreize, gesünder zu leben, und die Angst, beim Blaumachen ertappt zu werden: Mit Maßnahmen wie diesen soll die Zahl an Krankenständen gesenkt werden.
Team Wirtschaft
02.07.2025, 20:16
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Der am Mittwoch von Wifo, Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und Dachverband der Sozialversicherungsträger vorgestellte Fehlzeitenreport zeigt: Die Pandemie hat die Zahl der Krankenstände bzw. deren Dauer nachhaltig in die Höhe getrieben.

Konkret waren im vergangenen Jahr 70,1 Prozent der unselbstständig Beschäftigten zumindest einmal krank. 2019, also vor Covid, hatte der Anteil bei gerade einmal 57,4 Prozent gelegen. Unter Strich verbrachte 2024 jeder Versicherte 15,1 Kalendertage im Krankenstand.

Österreich ist im Schnitt 15,1 Tage im Jahr krank

Das ist, so der Report, unwesentlich weniger als 2023 mit 15,4 Tagen – und klar mehr als in den Jahren 2000 bis 2021. Damals blieben die Arbeitnehmer in Österreich in der Regel zwischen zwölf und 13 Tagen dem Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen fern. Insgesamt stellten laut den Fachleuten "15,1 Krankenstandstage pro Jahr – abgesehen vom Rekordjahr 2023 – den höchsten Wert seit über 30 Jahren dar".

Ein klarer Unterschied besteht traditionell zwischen Arbeitern und Angestellten. Arbeiterinnen und Arbeiter waren demnach im Vorjahr 18,9 Tage und damit 47 Prozent mehr Zeit krankgeschrieben als Angestellte mit 12,9 Tagen.

Atemwegserkrankungen als Hauptursache

Auch die Hauptursachen für Krankenstände wurden für den Report erhoben. Die meisten Fehltage resultieren demnach aus Erkrankungen der Atemwege (24,0 Prozent), Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems (18,9 Prozent) sowie Verletzungen und Vergiftungen mit 14,6 Prozent. Weitere elf Prozent entfielen auf psychische Störungen.

Krankenstände kosten bis zu 14,1 Milliarden Euro

Laut Fehlzeitenreport stellen Krankenstände zusätzlich zur Belastung für Betroffene und Familien einen massiven Kostenfaktor für die Wirtschaft dar. Allein im Vorjahr summierten sich direkte Kosten wie Krankengeld und Entgeltfortzahlungen (rund 250 Euro pro Tag) sowie indirekte Kosten wie Wertschöpfungsverluste auf bis zu 14,1 Milliarden.

Langzeitkrankenstände als größtes Problem

Als größte Belastung fürs Gesundheitssystem gelten – das wurde erstmals im Detail erhoben – Langzeitkrankenstände mit mehr als 40 Tagen Dauer. Tatsächlich würden 43,2 Prozent der Fälle weniger als vier Tage dauern und nur 9,5 Prozent aller Fehlzeiten verursachen – während eine kleine Gruppe an Langzeitfällen für den Großteil der Krankenstandstage verantwortlich sei. Allein eine Reduktion der Langzeitkrankenstände um zehn Prozent könnte 2,6 Millionen zusätzliche Arbeitstage generieren. Das entspräche der Arbeit von 7.000 Vollzeitkräften.

Ziel – Menschen sollen länger gesund bleiben

"Lange Krankenstände stellen das Gesundheitssystem, die Betriebe und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor besondere Herausforderungen", meint Peter McDonald, Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger im Talk mit Journalisten. Ziel müsse es sein, möglichst frühzeitig zu intervenieren und die Menschen bis zum Pensionsantrittsalter und darüber hinaus möglichst gesund im Erwerbsleben zu halten.

Gesundheitsbewusstsein soll gefördert werden

Eine elementare Rolle spielen für McDonald in diesem Zusammenhang Vorsorge und Gesundheitsförderung. Großes Thema sei hier – "wie schaffe ich das Bewusstsein, eigenverantwortliches Verhalten für die eigene Gesundheitsförderung zu stärken". Aktuell denke man laut McDonald über ein System nach, in dem es Belohnungen für die Absolvierung von Vorsorgeuntersuchungen bzw. fürs Erreichen von Gesundheitszielen gibt.

Keine E-Card-Gebühr für brave Versicherte

Vorstellbar sei, dass jene, die gemeinsam mit Ärzten gesetzte Ziele etwa bei Bewegung, Alkohol, Nikotin, Blutdruck und Gewicht erreichten, "keine E-Card-Gebühr mehr zahlen müssen". Das wären, so McDonald, immerhin 25 Euro. "Es können aber auch andere Anreize sein, in Form von Möglichkeiten, Sport- oder Gesundheitskurse zu besuchen."

KI-Check bei "auffälligem Verhalten"

Zusätzlich wolle man laut McDonald verstärkt dafür sorgen, dass das System nicht ausgenutzt, also Missbrauch betrieben wird. Dafür gebe es einen Prüfungsschwerpunkt mit der neuen Möglichkeit, auffälliges Verhalten mit künstlicher Intelligenz zu analysieren. Zusätzlich soll es vermehrt Krankenstandskontrollen per Videocall und die Möglichkeit für Firmen geben, verdächtige Fälle zu melden.

Ebenfalls geplant – anhand von Erfahrungswerten bei bestimmten Diagnosen sollen Ärzte häufiger als bisher bei der Krankschreibung auch den voraussichtlichen Endpunkt mitangeben. In Westösterreich würden bereits 90 Prozent der Mediziner Start- und Endzeit vermerken, im Osten wäre das hingegen nur bei 50 Prozent der Ärzte der Fall, klagt Peter McDonald.

Elektronische Gesundschreibung kommt

Laut McDonald soll die genaue Zeitangabe die Planbarkeit sowohl für den Einzelnen als auch für den Arbeitgeber verbessern. Weiterer geplanter Service: Ist man früher als in der Krankenstandmeldung angeführt wieder fit, kann man sich selbst elektronisch gesundschreiben lassen. Das solle einen weiteren Arztbesuch überflüssig machen.

"Nichthandeln kostet enorm viel"

Insgesamt ist, so die für die Erstellung des Reports mitverantwortliche Wifo-Vize-Direktorin Christine Mayrhuber, angesichts explodierender Kosten Feuer am Dach. "Nichthandeln im Gesundheitssystem können wir uns nicht leisten. Nichthandeln kostet. Und gerade im Gesundheitssystem kostet Nichthandeln enorm viel."

{title && {title} } tmw, {title && {title} } Akt. 02.07.2025, 20:17, 02.07.2025, 20:16