Ein Kärntner, der seine Kindheit in staatlicher Obhut verbrachte, fordert heute Gerechtigkeit: Vor dem Landesgericht klagt der 44-Jährige das Land Kärnten auf 30.000 Euro Schadenersatz – wegen jahrelanger Gewalt, Misshandlungen und massivem Fehlverhalten von Behörden und Betreuungspersonen.
Der Mann, der inzwischen in Deutschland lebt, schildert in seiner Klage, dass er bis heute unter den Folgen seiner Unterbringung leide. Elf Jahre lang sei er in Pflegefamilien und mehreren Heimen jenem Leid ausgesetzt gewesen, das er nun detailliert auf knapp zehn Seiten beschreibt: sexueller, physischer und psychischer Missbrauch.
Der Kläger berichtet von Gewalt "in jeder erdenklichen Form", ausgeübt von seinen damaligen Pflegeeltern. In der Klage wird zudem sexueller Missbrauch durch die Pflegemutter und eine Psychologin geschildert. Auch Einrichtungen geraten in den Fokus: Im Landesjugendheim Görtschach soll es zu Vernachlässigung, Essens- und Schlafentzug gekommen sein. Im evangelischen Heim "Herrhilf" der Diakonie beschreibt er FKK-Besuche mit einem Erzieher.
Die Vorwürfe richten sich nicht nur gegen einzelne Personen, sondern auch gegen die verantwortlichen Sachbearbeiterinnen zweier Bezirkshauptmannschaften, die laut Kläger Hinweise auf Gewalt und Missbrauch ignoriert hätten.
Besonders schwer wiegen die Darstellungen zu Aufenthalten in der heilpädagogischen Abteilung des LKH Klagenfurt: Dort sei es zu unnötigen Eingriffen im Intimbereich, Gewaltanwendungen und der zwangsweisen Verabreichung von Psychopharmaka gekommen. Der Kläger benennt alle mutmaßlich Beteiligten namentlich, darunter auch den bekannten Kinderarzt Franz Wurst.
Zu den gesundheitlichen Folgen zählen laut Klageschrift eine posttraumatische Belastungsstörung sowie ein einseitiger Hörverlust, der ebenfalls auf Misshandlungen zurückgehen soll.
2021 wurden dem Mann 18.000 Euro an Heimopfer-Entschädigung zugesprochen. Auch eine Heimopferrente stehe ihm bei Antritt der Pension zu. Die Diakonie habe ihm zusätzliche Leistungen wie Therapieeinheiten zugesichert.
Dennoch, so betont er, gehe es ihm nicht in erster Linie um Geld. Der 44-Jährige fordert die Aufarbeitung eines "über Jahrzehnte bestehenden Missbrauchssystems" in Kärnten.
Im Mittelpunkt des Prozesses am Freitag steht die Frage, ob die teils mehr als 30 Jahre zurückliegenden Ereignisse noch gerichtlich verfolgt werden können – oder ob die Ansprüche bereits verjährt sind. Das Urteil könnte Signalwirkung für weitere ehemalige Heimkinder haben.