Die Persönlichkeiten von Katzen scheinen so unterschiedlich zu sein wie die von Menschen: Manche sind richtig anhängliche Schmusekatzen, die man herumtragen und am Bauch kraulen kann, andere verstecken sich, sobald ein fremder Mensch die Wohnung betritt, wollen nicht getragen werden und sind generell distanzierter gegenüber Menschen.
Aber ist das wirklich nur eine Frage des Charakters? Nein, so der Tierpfleger Pat aus Los Angeles auf Tiktok: Er zeigt in seinen Videos, wie man Babykatzen desensibilisieren kann. So sollen sie später zu entspannten Katzen werden, die viel mit sich machen lassen. Das dient aber nicht nur den Menschen, die sie streicheln wollen, sondern auch der Katze. Sie sollen so generell weniger gestresst sein und sich im Notfall besser transportieren lassen.
Die Methoden sind denkbar einfach: Alles, was man tun muss, ist die Katze von klein auf daran zu gewöhnen, dass sie angefasst und aufgehoben wird. Laut Tierpfleger Pat geht das auch bei älteren Katzen noch. So bestärkt er eine Userin, die in den Kommentaren fragt, ob das bei ihrer vier Monate alten Katze noch geht.
Dem widerspricht Tierärztin Katharina Staub teilweise: "Fakt ist, dass die Prägungsphase bei Katzen leider sehr kurz ist." In den ersten Lebenswochen werden bei der Katze im Gehirn Nervenzell-Verbindungen geschaffen. "Das heißt, was die Katze in dieser Zeit erlebt und lernt, wird als ‹normal› oder 'nicht schlimm' abgespeichert", erklärt Staub.
Umgekehrt wird alles, was die Katze in dieser Zeit nicht kennenlernt, als fremd und bedrohlich im Hirn abgespeichert. "Deswegen ist es wichtig, dass Katzenkinder in diesen ersten Wochen möglichst viel lernen – Berührungen, Geräusche wie der Staubsauger, Kontakt beispielsweise mit Hunden oder verschiedenen Menschen", sagt Staub.
Verpasst man diese erste Phase oder bekommt eine Katze erst später im Leben, ist es aber nicht hoffnungslos: "Glücklicherweise sind Katzen sehr neugierig und spielfreudig und können auch später im Leben noch weiter dazulernen", so Staub. Bei bereits sozialisierten Kätzchen ist es natürlich leichter, sie beispielsweise an einen Transportkorb zu gewöhnen.
"Im Tierheim-Alltag erleben wir aber oft das Gegenteil: Zu uns kommen viele Kitten von verwildert lebenden Katzenmüttern, die bis dahin kaum oder gar keinen Kontakt zu Menschen hatten", sagt Staub. Diese Katzen lassen sich dann nur noch schwer und mit sehr viel Geduld an das Zusammenleben mit Menschen gewöhnen. Sind die Tiere schon über 12 Wochen alt, wird es schwierig bis unmöglich, dass aus den ängstlichen Katzen noch anhängliche Schmusekatzen werden, da die Hirnentwicklung zu dieser Zeit schon abgeschlossen ist.
"Aktuell haben wir im Tierheim Burg sehr viele dieser scheuen Katzenkinder. Für sie verständnisvolle Besitzer zu finden, welche akzeptieren, dass diese Katzen lange brauchen, bis sie sich anfassen lassen, oder allenfalls auch in Zukunft keine zutraulichen Schmusekatzen werden, ist leider schwierig", sagt Staub. Die Tierärztin sagt, es wäre wünschenswert, dass alle Kätzchen früh an den Umgang mit Menschen gewöhnt werden – aber auch die nicht sozialisierten Katzen haben ein liebevolles Zuhause verdient.
Weiter sagt Staub: "Kätzchen, die aus Gründen in der Prägungsphase nicht sozialisiert werden konnten, sollten nur von Haltern adoptiert werden, die das akzeptieren. Scheue Katzen müssen Freigang haben, damit das Sozialisierungsdefizit nicht zum Verhaltensproblem wird."