Aufatmen in St. Pölten

Müll-Skandal – Land NÖ greift jetzt durch

Monate nach der Aufdeckung des Müll-Skandals in St. Pölten ordnet jetzt das Land NÖ die Sanierung der Deponie "Am Ziegelofen" an.
Aram Ghadimi
18.08.2025, 05:30
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Das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Abteilung Umwelt- und Anlagenrecht, hat für die Reststoff- und Massenabfalldeponie "Am Ziegelofen", westlich von St. Pölten, jetzt eine Verfahrensanordnung erlassen.

Gemäß §62 Abs. 2 des Abfallwirtschaftsgesetzes, darf dort nur Material verbleiben, das die Deponieverordnung erfüllt. Nicht konformes Material ist nachzubehandeln oder ordnungsgemäß zu entsorgen.

Dabei lässt das Land NÖ noch Milde gegenüber dem Betreiber, der Zöchling Abfallverwertung GmbH, walten: Dem Unternehmen wird ein Spielraum bei der Wahl der Methoden gewährt. Gleichzeitig möchte die Behörde das Unternehmen engmaschig überwachen.

Aufarbeitung von 90.000 Kubikmetern angeordnet

Aufgedeckt hat den "größten Deponie-Skandal in Österreichs jüngerer Geschichte" die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Es folgte Behörden-Razzia und eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Zuletzt hatte die Zöchling GmbH noch ein fragwürdiges Gutachten vorgebracht, das behauptete, dass keine Grenzwerte überschritten wurden – Greenpeace teilte von Anfang an eine andere Einschätzung.

Zuletzt bestätigte, laut Greenpeace, auch die Behörde, dass hochgiftige Chemikalien gefunden wurden. Insgesamt wurden auf dem Areal rund 90.000 Kubikmeter Abfall illegal deponiert – darunter offenbar "unbehandelte schwermetallhaltige Industrieabfälle sowie unbehandelter Restmüll mit italienischer Beschriftung", heißt es von Greenpeace in Berufung auf die Untersuchungsergebnisse.

33-fach über Grenzwert

"Im Zuge der behördlichen Untersuchungen der Deponie in St. Pölten wurden offenbar Big-Bags mit stark Schwermetall-belasteten Industrieabfällen und hohem BTEX-Gehalt gefunden", hieß es von Greenpeace weiter. Bei BTEX handelt es sich um Boden- und Grundwasserschadstoffe, die sich aus Benzol-, Toluol-, Ethylbenzol- und Xylolverbindungen bilden.

BTEX sind giftige Chemikalien, die auch im Verdacht stehen auf das Hormonsystem zu wirken.
Heute-Grafik

Die Zöchling GmbH hatte stets behauptet, dass es sich nur um vermehrten Kunststoffgehalt handle. Demgegenüber stellt Greenpeace, gestützt auf Behördenerkenntnisse, klar, dass bei dem hochgiftigen Substanzgemisch der Grenzwert für eine zulässige Deponierung um das 33-fache überschritten wurde. Greenpeace sagt: "Gemessen wurden 200 Milligramm BTEX pro Kilogramm. Der Grenzwert liegt hier aber bei sechs Milligramm."

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Und auch die jüngsten Äußerungen seitens der Behörde lassen die Zöchling GmbH wenig glaubwürdig erscheinen: "Unser Maßstab sind Konsens und Grenzwerte – nicht zuletzt medial geführte Gutachterdebatten. Material, das die Vorgaben der Deponieverordnung nicht einhält, wird nachbehandelt oder geordnet entfernt", heißt es seitens der Abteilung Umwelt- und Anlagenrecht. "Der Unternehmer entscheidet über die geeignete Technik. Wir geben Ziel, Etappen und Maßstab der Untersuchungen vor und kontrollieren die Umsetzung."

Sanierung kostet Millionen

Der toxische Mix, der über Jahre auf der Deponie in St. Pölten illegal eingegraben wurde, müsse vollständig geräumt und fachgerecht behandelt werden, sagte Greenpeace-Sprecher Herwig Schuster. Auch drei Brände auf der Deponie würden daran nichts ändern. "Die hochgiftigen Industrieabfälle müssen sie in Spezialanlagen stabilisiert werden", erklärt Schuster. Die Kosten der Nachbehandlung schätzt Greenpeace auf bis zu 15,3 Millionen Euro.

Dabei dürfte sich das für die Zöchling GmbH noch als Glücksfall erweisen, denn statt der angedrohten kompletten Räumung, ordnet die Behörde nun nach dem Parteiengehör eine stufenweise Sanierung an. Es heißt: Unabhängig von zivil- oder strafrechtlichen Fragen stünde die Herstellung des "konsensgemäßen Zustands" im Vordergrund.

Sektor für Sektor

Entgegen ihrer Befürchtungen erspart sich die Zöchling GmbH zwar jetzt tausende Lkw-Fahrten, die zwingend geworden wären, wenn die Behörde die bisher drohende komplette Räumung verlang hätten. Nichtsdestotrotz muss aber die Zöchling GmbH jetzt einen abgegrenzten Bereich von rund 15.000 Quadratmetern bis in sechs Meter Tiefe sanieren.

Dabei sollen einzelne Sektoren zu 25 mal 25 Meter, aber nie zwei Sektoren gleichzeitig (Geruchs- und Emissionsminderung), aufgearbeitet werden. Der spätere Wiedereinbau darf nur nach grundlegender Charakterisierung des Materials erfolgen. Sollte das nicht möglich sein, muss der Müll über geeignete und befugte Anlagen geordnet entsorgt werden.

Die besagten BigBags mit hochgiftigen Chemikalien müssen dabei zuerst separiert und dann gesichert gelagert werden, um sie anschließend zu untersuchen. Je nach Schadstoffprofil müssen dann Entscheidung über die weitere Vorgangsweise gefunden werden. Bei Schwermetallen oder den erwähnten BTEX muss eine externe Behandlung durch befugte Abfallbehandler unter strengem Arbeitsschutz erfolgen.

Aufarbeitung ab Oktober

Den Beginn der Aufarbeitung der Deponie "Am Ziegelofen" hat die Behörde auf den 13. Oktober 2025 festgelegt. Gleichzeitig muss die Sanierung in etwas mehr als zwei Jahren abgeschlossen sein. Stichtag ist der 31. Dezember 2027.

Die Durchführung der genannten Aufgaben erfolgt unter der Aufsicht des behördlich bestellten Deponieaufsichtsorgans. Dabei hat eine Ankündigung der beabsichtigten Arbeiten an Behörde und Aufsicht jeweils 14 Tage vor Beginn der Maßnahme zu erfolgen.

Vier Etappen zu maximal sechs Monaten

Geplant sind außerdem vier Etappen der Sanierung zu je rund 22.500 Kubikmeter. Jeder Teilschritt darf nicht länger als sechs Monate in Anspruch nehmen und muss von einem Dokumentationsbericht begleitet sein. Am Ende der Sanierung ist auch noch ein Abschlussbericht vorzulegen.

Schließlich sollen durch eine sogenannte Unterdruckhaltung (Gasfassung) und durch den Einsatz von geeigneten technischen Anlagen, unangenehme Gerüche weitgehend vermieden werden. Auch die stückweise Aufarbeitung dient dazu, Emissionen und Belastungen für die Umgebung möglichst gering zu halten.

Grüne fordern Sonderkommission

"Kein Teppich dieser Welt ist groß genug, als dass man diesen Skandal noch darunter kehren könnte", heißt es seitens der Grünen. Es räche sich, dass die Müllentsorgung unter Bürgermeister Stadler privatisiert wurde. Die Grünen fordern daher eine Sonderkommission im Rathaus, kurz Einbeziehung aller im Gemeinderat vertretenen Parteien. Denn: "So etwas darf in Zukunft nicht mehr passieren."

Von Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) heißt es dazu: "Für eine saubere Umwelt muss man sich an Regeln halten. Unsere Umweltbehörden handeln im Rahmen der Bundesgesetze rasch, konsequent, verhältnismäßig und transparent. Der Weg, den sie vorgeben, ist technisch offen, das Ziel nicht verhandelbar."

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