Fast jeder 3. Mensch leidet an einer Allergie. Durch die Entschlüsselung der relevanten Allergene, die Allergien auslösen, ist eine treffsichere Diagnostik möglich und können neue Therapiemethoden entwickelt werden. Das Konstruktionsprinzip, das für innovative trägerproteingetragene Allergieimpfstoffe gerade in klinischen Studien erste Erfolge zeigt, könnte aber auch für andere Erkrankungen wie Infektionserkrankungen und Krebs nützlich sein.
Darüber und über viele andere immunologische Therapieansätze, die das Leben der Menschen verbessern sollen, geht es beim Internationalen Immunologie-Kongress der International Union of Immunological Societies (IUIS) vom 17. August bis 22. August im Austria Center Vienna.
"Immunologische Forschung verbessert das Leben der Menschen nachhaltig. Zum Beispiel hat die Entdeckung monoklonaler Antikörper und deren Herstellung, die übrigens mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, die immunologische Diagnostik und Therapie bahnbrechend verändert", so Univ.-Prof. Dr. Rudolf Valenta. Der Präsident des IUIS-Kongresses 2025 und Professor für Allergologie am Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der MedUni Wien forscht daran, das Leben von Allergikern zu verbessern.
"Beim Internationalen Immunologie-Kongress werden sich WissenschaftlerInnen aus aller Welt zu neuen Strategien für Diagnose, Therapie und Prävention für eine Vielzahl von Erkrankungen austauschen. Es geht darum, neue und hochwirksame Behandlungen für Allergien, Autoimmunerkrankungen, Infektionserkrankungen und Krebs zu entwickeln", stellt der Experte klar.
Bei Allergien reagiert das Immunsystem auf eigentlich harmlose Stoffe mit Überempfindlichkeitsreaktionen. "Bereits 50 bis 60 Prozent der Volksschulkinder bilden auf eigentlich harmlose Stoffe, die wir Allergene nennen, IgE-Antikörper. Auch wenn viele der Kinder zu Beginn noch symptomlos sind, so spricht man hier bereits von einer Sensibilisierung", erklärt Valenta. Je höher der Kontakt mit dem Allergen ist, desto stärker wird die IgE-Antikörper-Bildung angeregt und es entwickeln sich erste Symptome wie Heuschnupfen, allergische Hauterkrankungen, Nahrungsmittelallergien und Asthma.
„Bereits 50 bis 60 Prozent der Volksschulkinder bilden auf eigentlich harmlose Stoffe, die wir Allergene nennen, IgE-Antikörper.“
"30 Prozent aller Menschen weltweit leiden bereits unter allergischen Symptomen, die meisten davon betreffen die Atemwege wie zum Beispiel Schnupfen bis Asthma", betont der Immunologe. Je nachdem, wie stark das Allergen in der Umwelt vorherrscht, sind bestimmte Allergien daher in den verschiedenen Ländern unterschiedlich vertreten. So kommen beispielsweise in Skandinavien, wo viele Birken wachsen, verstärkt Birkenallergiker vor. "Der Leidensdruck der Menschen, die oft monatelang aufgrund der Allergie gesundheitliche Probleme haben, ist sehr hoch. Daher ist es wichtig, hier gute und auf die Patienten zugeschnittene Lösungen zu entwickeln", sagt der Mediziner.
In der Allergologie ist es gelungen, mithilfe molekularbiologischer Methoden die Eiweißbausteine (Allergene), die Allergien auslösen, zu identifizieren. "Wir kennen mittlerweile die meisten der relevanten Allergene, auf die wir mit der von uns entwickelten molekularen Allergiediagnose durch eine Bluttropfenprobe den Patienten umfassend auf mögliche Allergien austesten können. Basierend auf diesen Allergenen werden dann auch neue Impfstoffe hergestellt, die viel besser – weil gezielter - wirken als frühere Impfstoffe, die aus Extrakten gewonnen wurden", so Valenta. Neue therapeutische Allergieimpfstoffe arbeiten beispielsweise mit synthetisch hergestellten Allergenmolekülen, die eine reduzierte IgE-Bindung haben und dadurch geringere Nebenwirkungen wie Entzündungen auslösen.
Die letzte Generation von therapeutischen Allergieimpfstoffen sind trägerproteingetragene Impfstoffe. "Dabei wird ein Trägerprotein – wie zum Beispiel ein Hepatitis-B-Virus-Protein – hergenommen und an ihm Allergen-Bruchstücke gebunden. Die Vorteile dieser Methode liegen auf der Hand: dadurch, dass nur Allergenbruchstücke verwendet werden, kommt es zur reduzierten IgE-Bildung und geringeren Nebenwirkungen, jedoch steigert die Fusion mit dem Trägerprotein die Bildung schützender Antikörper. Hinzu kommt, dass wir durch das Trägerprotein gleichzeitig auch einen Schutz gegen Hepatitis-B erzielen und das sogar bei Personen, die mit den bisherigen Impfstoffen keinen Schutz auf Hepatitis B entwickeln konnten", erklärt Valenta. Er war federführend an der Entwicklung des weltweit ersten, wirksamen synthetischen Gräserpollenimpfstoffes beteiligt und hat weitere Impfstoffe zur Behandlung von Birkenpollen, Hausstaubmilben und Katzenallergien entwickelt, die nun auch in klinischen Studien getestet werden.
"In der Allergologie haben wir es geschafft, dass wir die krankheitsrelevanten Antigene durch molekulare und immunologische Charakterisierung strukturell definiert haben. Ich sehe diese Strategie aber auch glasklar als Zukunftsweg für die Behandlung von Infektionserkrankungen und auch Krebs. Hier gilt es in der Forschung noch die entsprechenden Zielantigene herauszufinden. Für Infektionserkrankungen haben wir das bereits gemacht. Es könnte beispielsweise aber auch eine Immuntherapie bei Krebs, die mit Tumor-Antigenen arbeitet möglich werden. Hier sehe ich ein riesengroßes Entwicklungspotenzial", betont Valenta.