Kopfhörer-Review

Offen hören – die Xiaomi OpenWear Stereo Pro im Test

Xiaomi OpenWear Stereo Pro im Test: Die offenen Ohrhörer bieten Anti-Leckage-Technik, klaren Klang und langen Akku, aber etwas wenig Bassdruck.
Rene Findenig
06.10.2025, 15:35
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Xiaomi wagt mit den OpenWear Stereo Pro einen Schritt, den sich bislang nur wenige Hersteller trauten. Offene Ohrhörer sind eigentlich nichts Neues – schon vor Jahren versuchten Firmen wie Sony oder Bose ähnliche Ansätze. Doch während klassische In-Ears tief in den Gehörgang gedrückt werden und Over-Ears das gesamte Ohr umschließen, schweben offene Hörer leicht über dem Ohrkanal. Der Vorteil liegt auf der Hand: Man hört nicht nur Musik, sondern bleibt auch mit der Außenwelt verbunden. Kein verpasstes Gespräch im Büro, kein überhörtes Auto auf der Straße und keine unangenehme Isolation, die viele Menschen bei In-Ears nervt.

Doch der Nachteil war bisher ebenso offensichtlich: Tonleckage. Jeder im Umfeld bekam unfreiwillig einen Mitschnitt des eigenen Soundtracks. Xiaomi behauptet nun, mit den OpenWear Stereo Pro genau dieses Problem gelöst zu haben. Ein spezieller Anti-Leckage-Treiber soll dafür sorgen, dass der Sound im Ohr bleibt, auch wenn das Design offen bleibt. Dazu kommen ein aufwendiger Treiberaufbau, eine lange Akkulaufzeit und clevere Zusatzfunktionen. Ob diese Kombination im Alltag funktioniert und sich mit Konkurrenten wie den Nothing Ear Open und den Huawei FreeArc messen kann, hat "Heute" ausführlich getestet.

Klang-Innovation im Mini-Format

Während einfache Open-Ear-Hörer oft mit einem einzelnen dynamischen Treiber auskommen müssen, fährt die Pro-Version gleich ein ganzes Arsenal auf. Ein großer dynamischer Treiber mit 18 x 13 Millimetern sorgt für das Grundfundament. Zwei Balanced-Armature-Treiber übernehmen die Feinabstimmung in den Mitten, ein Piezo-Keramik-Tweeter kümmert sich um die Höhen, und der bereits erwähnte Anti-Leckage-Treiber wirkt aktiv gegen ungewollte Klangabstrahlung. Dieser Aufbau ist ungewöhnlich, fast schon überdimensioniert für ein offenes System. Doch Xiaomi verfolgt hier eine Strategie, die dem Klang zugute kommen soll.

Möglichst viele Frequenzbereiche sollen separat bearbeitet werden, um trotz der Bauweise ein Klangbild zu erzeugen, das nicht künstlich oder dünn wirkt. In der Theorie liest sich das wie ein Bauplan für High-End-Kopfhörer, in der Praxis muss sich jedoch zeigen, wie gut die Abstimmung tatsächlich gelungen ist. Dazu gesellt sich die Unterstützung moderner Codecs wie LHDC 5.0, die eine Hi-Res-Übertragung ermöglichen. Für Streaming-Dienste, die inzwischen auch höher aufgelöste Musik anbieten, ist das ein wichtiges Detail. AAC und SBC sind ebenfalls an Bord, womit die Ohrhörer praktisch mit allen gängigen Geräten kompatibel bleiben.

Unauffällig, aber nicht unsichtbar

Das Dimensional-Audio-System der Hörer mit Head-Tracking darf man als Bonus betrachten. Während es für Musikgenuss nur bedingt relevant ist, entfaltet es bei Filmen und Spielen einen zusätzlichen Reiz. Optisch sind die Xiaomi OpenWear Stereo Pro ein Zwischending aus klassischem Ohrbügel und futuristischem Gadget. Der flexible Bügel schmiegt sich hinter das Ohr, während der eigentliche Lautsprecher leicht vor dem Gehörgang positioniert wird. Das sorgt für einen sicheren Halt, ohne dass man das Gefühl hat, etwas im Ohr zu tragen. Das Gewicht von knapp zehn Gramm pro Seite macht sich in der Praxis kaum bemerkbar.

Selbst nach Stunden am Ohr entsteht kein Druck oder Ziehen. Xiaomi hat die Materialien so gewählt, dass sie hautfreundlich wirken und auch bei Schweißkontakt nicht unangenehm werden. Besonders interessant ist die Stabilität des Bügels: Xiaomi spricht von über 5.000 Biegezyklen, die das Material schadlos überstehen soll. Damit dürfte das Modell auch für Langzeitnutzer interessant sein. Das Ladecase wirkt schlichter, ist aber hochwertig verarbeitet. Es bringt rund 72 Gramm auf die Waage, also durchaus Hosentaschen-tauglich. Ein Magnetverschluss hält die Ohrhörer sicher in Position, Lade-LEDs informieren über den Status.

Wechsel zwischen Ernüchterung und Begeisterung

Beim ersten Aufsetzen erlebt man eine kleine Enttäuschung. Im Standardmodus wirken die OpenWear Stereo Pro flach, wenig detailliert und fast schon wie ein billiges Headset. Stimmen klingen verhangen, Instrumente verschwimmen, und auch der Bass fehlt beinahe völlig. Würde man an dieser Stelle aufhören, könnte man die Ohrhörer als gescheiterten Versuch abhaken. Doch das ändert sich, sobald man in der App das Harman-Profil aktiviert. Plötzlich entfaltet sich ein Klangbild, das die Erwartungen an offene Ohrhörer übertrifft. Stimmen werden klarer, Gitarrenriffs gewinnen an Kontur, und feine Details wie das Zupfen von Saiten sind hörbar.

Im Höhenbereich liefern die Pro-Modelle eine saubere Darstellung, die nicht ins Scharfe kippt. Gesangsstimmen wirken lebendig und stehen klar im Vordergrund. In den Mitten zeigt sich, dass die Balanced-Armatures ihre Arbeit gut machen: Klavierakkorde, akustische Instrumente und Stimmen sind plastisch und differenziert. Der Bass bleibt trotz allem die Schwachstelle. Zwar sorgt der große dynamische Treiber für mehr Fundament als bei vielen anderen Open-Ear-Modellen, doch an den satten Druck von In-Ears oder Over-Ears kommt er nicht heran. Subbass ist nur angedeutet, und elektronische Beats verlieren dadurch an Durchschlagskraft.

Räumlichkeit und Head-Tracking

Für Klassik, Jazz, Podcasts oder akustische Musik reicht das völlig, wer jedoch EDM, Hip-Hop oder Rock mit voller Energie hören will, muss Abstriche machen. Das Dimensional Audio mit Head-Tracking ist indes ein Feature, das man nicht unterschätzen sollte. Beim Hören von Musik bringt es nur einen subtilen Effekt, der die Bühne etwas breiter erscheinen lässt. Bei Filmen und Spielen hingegen fühlt es sich fast so an, als säße man in einem kleinen Heimkino. Wenn man den Kopf dreht, bleibt der Klang an Ort und Stelle, was für eine natürliche Wahrnehmung sorgt. Besonders spannend ist das in Games, in denen die Richtungswahrnehmung wichtig ist.

Selbst nach Stunden am Ohr entsteht kein Druck oder Ziehen. Xiaomi hat die Materialien so gewählt, dass sie hautfreundlich wirken und auch bei Schweißkontakt nicht unangenehm werden.
Rene Findenig

Schritte, Stimmen oder Geräusche lassen sich klarer orten, was das Eintauchen in die virtuelle Welt unterstützt. Natürlich ersetzt das keine Surround-Anlage, aber für ein mobiles Gerät ist es ein beeindruckender Zusatz. Das wohl spannendste Feature ist der Anti-Leckage-Treiber. Im Alltagstest zeigt sich, dass Xiaomi hier tatsächlich Fortschritte erzielt hat. Bei normaler Lautstärke sind die Ohrhörer für Sitznachbarn im Café oder Zug kaum bis gar nicht hörbar. Erst wenn man die Lautstärke über 70 Prozent hinausdreht, dringt ein Rest nach außen, der immer noch gering ist und Außenstehende wohl nicht zu einem Sturm der Entrüstung bringen wird.

Ideal für lange Arbeitstage und laute Büros

In absolut stillen Umgebungen wie einer Bibliothek sollte man trotzdem Rücksicht nehmen. Ganz ohne Abstrahlung geht es auch mit der neuen Technik nicht. Aber im Vergleich zu typischen Open-Ears ist der Unterschied gravierend. In lauten Umgebungen wie auf der Straße fällt die Leckage ohnehin nicht mehr auf, da die Umgebungsgeräusche dominieren. Im Büroalltag sind die OpenWear Stereo Pro deshalb ein Gewinn. Man kann Musik hören, ohne sich komplett abzuschotten, und trotzdem noch Gespräche führen, ohne die Ohrhörer herausnehmen zu müssen. Das macht sie ideal für lange Arbeitstage und laute Büros.

Die von Xiaomi angegebenen achteinhalb Stunden pro Ladung sind bei niedriger Lautstärke realistisch, bei mittlerer sind es eher sechs.
Rene Findenig

Beim Pendeln oder Spazierengehen in der Stadt ist es angenehm, dass man Autos und Fahrräder weiterhin wahrnimmt. In der Bahn oder im Flugzeug zeigt sich jedoch die Kehrseite: Ohne Noise Cancelling und mit bewusst offener Bauweise hört man zwangsläufig auch die Geräusche der Umgebung. Wer absolute Ruhe sucht, ist hier beim absolut falschen Modell. Beim Sport hängt die Tauglichkeit von der Aktivität ab. Für Yoga, Fitnessstudio oder Walking sind sie bestens geeignet. Beim Joggen oder intensiven Training können sie verrutschen, was auf Dauer nervig ist. Hier zeigen sich klassische In-Ears mit Ohrbügeln etwas stabiler.

Ausdauer auch für Langstreckenhörer

Die von Xiaomi angegebenen achteinhalb Stunden pro Ladung sind bei niedriger Lautstärke realistisch, bei mittlerer sind es eher sechs. Das Ladecase liefert genügend Reserven, um die Ohrhörer mehrere Tage hintereinander zu nutzen, ohne eine Steckdose zu brauchen. Die Schnellladefunktion ist ein echtes Highlight. Zehn Minuten im Case reichen aus, um wieder für eine Stunde bis maximal zwei Stunden Musik gewappnet zu sein. Die Steuerung über die Touchflächen reagiert zuverlässig, auch wenn man schwitzige Finger hat. Über die Xiaomi-App lassen sich Klangprofile umstellen, Updates einspielen und Zusatzfunktionen aktivieren.

Spannend sind die Sprachaufnahme und Übersetzungsfunktionen. Die Aufnahme eignet sich für spontane Notizen oder Interviewsituationen, ersetzt aber kein professionelles Aufnahmegerät. Die Übersetzungsfunktion ist eher ein nettes Gimmick, funktioniert aber überraschend gut in alltäglichen Situationen. Für Geschäftsreisende könnte das ein Argument sein, auch wenn es hier noch klare Grenzen bei der Genauigkeit gibt. Im Segment der offenen Ohrhörer gibt es generell nur wenige ernsthafte Konkurrenten. Gute Modelle lieferte etwa Sony mit den LinkBuds, Nothing mit den Open Ear und Huawei mit den FreeArc-Kopfhörern.

Offen hören – die Xiaomi OpenWear Stereo Pro im Test

Die Stärken der Xiaomi-Hörer liegen im innovativen Anti-Leckage-System, dem klaren Klangbild bei Stimmen und Höhen, der soliden Akkulaufzeit und dem hohen Komfort. Hinzu kommt die Tatsache, dass Xiaomi ein paar smarte Features integriert hat. Die Schwächen sind nicht zu überhören. Der Bass bleibt hinter den Erwartungen zurück, die Ohrhörer sind nicht ideal für sportliche Extrembelastungen, und in lauter Umgebung fehlt die Möglichkeit, sich mehr abzuschotten. Zudem muss man das Klangprofil wechseln, um Freude am Hören zu haben. Für Pendler, Büroangestellte und Spaziergänger sind sie aber eine komforrable, spannende Wahl.

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