Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro, Albanien, Serbien und Bosnien-Herzegowina: Von Sonntag bis Freitag tourte Claudia Plakolm, Bundesministerin für Europa, Integration und Familie, durch den Westbalkan. Mit der in der Region üblichen Gastfreundschaft, der wunderschönen Landschaft und jungen Städten sowie Aufbruchsstimmung und Entschlossenheit soll der Weg der Balkan-Staaten Richtung EU geebnet werden.
Am Westbalkan begegnete die EU-Ministerin dutzenden einflussreichen Politikern, doch auch der jungen Generation hörte Plakolm zu. Im Zuge der konstruktiven Gespräche gab es jede Menge Highlights – "Heute" war dabei.
Auf dem Weg nach Podgorica (Montenegro) stieß "Heute"-Reporter Robert Cajic am Dienstag zur EU-Ministerin hinzu. Zuvor war Plakolm nach Nordmazedonien und Kosovo gereist. Schnell wurde klar: Für einige Balkan-Länder ist eine EU-Mitgliedschaft nicht viel mehr als eine weit entfernte Wunschvorstellung.
Ein ganz anderes Bild gab hingegen Podgorica ab, Montenegro gilt nämlich als Vorreiter in Sachen EU-Bemühungen. Mit einer völlig neuen Regierung, jungen Vorbildern wie EU-Ministerin Maida Gorcevic oder Premierminister Milojko Spajic setzte man sich rasch ein optimistisches Ziel: 2028 soll Montenegro das 28. Mitglied der Union werden.
Premier Spajic machte guten Eindruck – und das gleich auf mehreren Sprachen! So auch auf Japanisch. Der Grund: Er studierte in Japan, sorgte dort mit seinen Sprachkenntnissen für ordentlich Furore.
Am späten Dienstag wurde "Team Plakolm" von Podgorica in die albanische Hauptstadt Tirana eskortiert. Ein Morgenlauf am frühen Mittwoch sowie eine Stadttour zeigen: Die vielfältige und vor allem für Künstler atemberaubende Stadt ist eine absolute Bereicherung – auch für die EU.
Auf dem Weg in die Gemeinschaft seien seit Verhandlungsbeginn im Jahr 2022 fünf von sechs Kernthemen eröffnet worden – vor allem in der Justiz prescht Albanien vor. Das Ziel: 2030 soll der Schritt in die EU besiegelt werden. Um Kernthemen zu besprechen, traf sich die EU-Ministerin in Tirana auch mit Premierminister Edi Rama.
Dieser trieb es vor dem Meeting mit Plakolm aber wohl etwas zu bunt, kam nämlich direkt aus einem Atelier. Der kunstbegeisterte Politiker malte nämlich, kam deshalb mit mehreren Farbkleckse an den Händen sowie pyjama-artigem Gewand zum Treffen. Plakolm fand den Auftritt Ramas gegenüber "Heute" jedenfalls sympathisch.
Mittwochnachmittag brach die EU-Minister nach Belgrad auf. Am Abend befand sich Plakolm in Novi Sad, wo ihr Premierminister Nemanja Starovic die beeindruckende Festung Petrovaradin zeigte.
Alles andere als eine Festung war am 1. November des Vorjahres ein Bahnhofsvordach in Novi Sad – dieses stürzte ein, riss 16 Menschen in den Tod – "Heute" berichtete. Seit der Tragödie ist in Serbien nichts mehr wie zuvor, monatelang protestierten Tausende in mehreren Städten des Balkan-Lands, Universitäten blieben monatelang geschlossen. Stets bei den Protesten: Eine junge Generation von Serben, die sich eine bessere Zukunft in dem Land wünscht.
Die Probleme in dem Land sind vielseitig, doch Plakolm sieht die jüngsten Justiz-Reformen positiv. Die beschlossene neue Justizverfassung sorgt für ein unabhängigeres Gericht und Staatsanwaltschaften – auf dem Papier und zunehmend auch in der Praxis.
"Wir müssen aufhören, den Westbalkan als 'finsteren Fleck Europas' zu sehen", betonte die EU-Ministerin nach Gesprächen mit Ana Brnabić und EU-Minister Starović.
Von Belgrad ging es noch am Donnerstag in die bosnische Hauptstadt Sarajevo. Das Zusammenleben zwischen Katholiken, Orthodoxen und Muslimen vor Ort ist zwar harmonisch, doch die politische Lage fragil.
Mit drei Präsidenten und dem wohl kompliziertesten politischen Regierungssystem auf der Welt seien Kompromisse oft schwierig. Einen Abschied von EU-Beitrittsgesprächen sieht Plakolm aber noch lange nicht und betont: "Natürlich haben die sechs Staaten noch unterschiedlich lange Wege vor sich, das sehe natürlich auch ich. Aber sie sind auf dem Weg und wir müssen schauen, dass wir endlich Meter machen."
Meter machte Plakolm auf der weltbekannten Baščaršija in Sarajevo: Im historischen und kulturellen Zentrum der Stadt hielt sie mit Sarajevo-Bürgermeister Samir Avdic vor der bekanntesten Moschee der Stadt, der Gazi-Husrev-Beg-Moschee. Dort passierte Historisches.
Plakolm trank dort nämlich aus einem Trinkbrunnen, einer Legende nach bedeutet dies: Reisende, die Wasser aus diesem Brunnen trinken, kehren eines Tages nach Sarajevo zurück. Zum Schluss führte Bürgermeister Avdic die Ministerin ins "Petica Ferhatovic", das wohl bekannteste Ćevapi-Lokal in Sarajevo.
In der "Ćevabdžinica" laufen an diesem Tag nur Lieder einer wahren Balkan-Legende: Halid Bešlić. Der Sänger wurde im Laufe der Zeit zur Ikone der Volksmusik, zum Symbol für Wärme, Zusammenhalt und Menschlichkeit. Seine Songs erzählten Geschichten vom Leben, vom Lieben und vom Verlieren.
Auch die EU-Ministerin bekam die Lieder und Geschichte von Bešlić zu hören, hatte sich zuvor im Rathaus von Sarajevo in das Kondolenzbuch des verstorbenen Sänger eingetragen: "Danke, für die Musik, die Menschen und Nationen verbindet. Besonders Österreich und Bosnien-Herzegowina. Ruhe in Frieden."
Nun das heiße Geheimnis: Plakolm zeigte sich in Sarajevo als absolute Kennerin der Balkanküche, denn: Die Ćevapčići im Brot verschlang sie mit beiden Händen! Absolut richtig, da echte Profis ohne Besteck essen.
Mit gestärktem Magen und voller Zuversicht, dass der Westbalkan in Zukunft die Europäische Union nicht nur kulinarisch bereichern wird, flog die EU-Ministerin am Freitagnachmittag wieder nach Wien.