Fällt die Stadt bald?

Reporter: "Niemand weiß, was in Pokrowsk passiert"

Die ukrainische Stadt Pokrowsk wird derzeit hart umkämpft. Russische Truppen rücken vor. Ukrainer können Sektoren jedoch immer wieder räumen.
09.11.2025, 18:28
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Pokrowsk wird fallen. Davor warnten Medien und Beobachter des Ukraine-Krieges bereits im Sommer. Damals konnte die Ukraine die Situation jedoch noch einmal stabilisieren. Und heute?

Die Situation in der Stadt sei unübersichtlich und chaotisch. Eine Einkesselung, wie Putin dies bereits Ende Oktober angekündigt hatte, entspricht zwar nicht der Wahrheit. Doch auch ukrainische Beobachter rechnen mit einem baldigen Rückzug ihrer Streitkräfte.

Wie sieht die Situation aus?

"Jeder, der behauptet, genau zu wissen, was in Pokrowsk vor sich geht, ist meiner Meinung nach verdächtig", schreibt Kriegsjournalist Stefan Korshack in der "Kyiv Post" am Samstag. "Weder die ukrainischen Streitkräfte noch der Kreml, weder die Soldaten noch die Osint-Experten – niemand weiß es mit Sicherheit".

Dennoch versucht er, von Informationen aus verschiedenen Quellen – russischen und ukrainischen – ein Bild zu zeichnen. Dabei ergibt sich folgende Situation: Russische Truppen kontrollieren den Süden der Stadt, und Ukrainer den Norden. Dazwischen ist ein großes Niemandsland, in dem sich Infanteriepatrouillen gegenseitig verfolgen, während sie von Drohnen gejagt werden. Die Drohnen wiederum jagen sich ebenfalls gegenseitig.

Das Institute for the Study of War kommt in seiner Analyse von Daten bis zum Samstagmorgen zu einem ähnlichen Schluss. Sie erkennen aber eine Verlangsamung der russischen Vorstöße. Dies hänge jedoch damit zusammen, dass die Truppen auf Verstärkung warten würden. Die Analysten erwarten, dass sich der Angriff in den nächsten Tagen wieder verstärkt.

Wieso ist es so chaotisch?

Korshack weist darauf hin, dass die Ukraine in den vergangenen Tagen mehrere Spezialeinheiten in die Stadt gebracht hat, bei einem Versuch, die Situation zu stabilisieren. Doch seiner Meinung nach ist "jede Armee, die Kommandos einsetzt, um eine konventionelle Verteidigungsschlacht zu unterstützen, eine Armee, der es nicht gut geht."

Die Spezialeinheiten seien zwar erfolgreich, Sektoren, die von kleinen russischen Einheiten eingenommen wurden, zu "räumen", doch halten können sie sie selbst nicht. Diese Dynamik trage nur noch mehr zur chaotischen Lage im Niemandsland bei. Gleichzeitig habe Russland laut mehrerer Quellen 80.000 bis 100.000 Truppen bei Pokrowsk zusammengezogen. Obwohl die ukrainischen Kommandos den Russen hohe Verluste verursachen, werden sie die feindlichen Truppen nicht auf ewig zurückhalten können, so Korshacks Einschätzung.

Was würde der Fall von Pokrowsk bedeuten?

Russland hat in 2025 bisher nur kleine Gebiete einnehmen können. Gelingt es den Truppen, Pokrowsk noch vor Ende des Jahres einzunehmen, wäre das zuerst einmal ein dringend benötigter symbolischer Erfolg für Putin.

Allerdings ist die Stadt auch von großer strategischer Relevanz. Sie war einst ein wichtiger Logistikknotenpunkt für die Ukrainer und flankiert zwei größere Städte weiter nördlich: Slowjansk und Kramatorsk. Mykola Bielieskov, ein ukrainischer Analyst, sieht in der langsamen Eroberung von Pokrowsk die "Schaffung für den Ausgangspunkt für das kommende Kriegsjahr".

Shaun Pinner, ein Brite, der für die Ukraine kämpfte und sich nun als Kriegsreporter in den umkämpften Gebieten aufhält, schreibt: "Pokrowsk ist ein Ort, an dem Russland glaubt, gewinnen zu müssen, und an dem die ukrainischen Streitkräfte sie dafür teuer bezahlen lassen." Er vergleicht die Situation mit Mariupol und Bachmut.

Die langandauernde Verteidigung dieser Städte habe der Ukraine Zeit verschafft und russische Truppen ausgedünnt. Wenn Pokrowsk fallen würde, stärke dies sicher die Moral der russischen Truppen, aber es würde keinen strategischen Unterschied machen, argumentiert er. Tatsächlich sehen das auch russische Beobachter ähnlich.

{title && {title} } red,20 Minuten, {title && {title} } 09.11.2025, 18:28
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