Welches Lokal hat die attraktivste Kundschaft? Diese Frage stellte sich Programmierer Riley Walz aus San Francisco. Kurzerhand kreierte er eine Webseite, auf der sich die Antwort finden lässt. "Rot ist 'hot', blau ist 'not'", lautet die Erklärung der Karte, die es bisher für New York, Los Angeles und San Francisco gibt.
"Looksmapping" nennt sich das Projekt: Dafür hat der 22-Jährige rund 2,8 Millionen Google-Rezensionen von über 9.800 Restaurants in den drei Städten herbeigezogen.
Etwas über eine halbe Million der Bewerter-Konten hatten ein Profilbild hinterlegt. Anhand dieser entschied eine KI, ob es sich um attraktive oder weniger attraktive Menschen handelt, die das Lokal besucht haben.
Auch das Alter sowie das Geschlecht wurden von der KI zugeordnet. Daraus entstand eine Karte, die zeigt, wo sich die "hottesten" Gäste aufhalten.
So erhält "Sharif’s Famous", ein New Yorker Foodtruck, zehn von zehn Punkten in Sachen Attraktivität – bei einer sehr jungen und eher männlichen Kundschaft. Einige Straßen weiter findet sich das koreanische Restaurant "Her Name is Han", welches ebenfalls die Maximalpunktzahl bei einer sehr jungen und eher weiblichen Kundschaft erhält.
Das italienische Restaurant "Osteria al Doge" einige Blöcke weiter schneidet hingegen mit einer eher weiblichen und älteren Kundschaft schlecht ab – die KI vergibt lediglich 1,6 Punkte. Über die Qualität und den Geschmack des Essens gibt die Webseite keine Auskunft.
"Wir beurteilen Orte nach den Menschen, die sie aufsuchen. Das haben wir immer getan. Auf dieser Website werden lediglich die oberflächlichen Berechnungen, die wir jeden Tag anstellen, mit Zahlen unterlegt. Sie hält unserer kollektiven Eitelkeit einen Spiegel vor", schreibt der Programmierer auf der Webseite. Dass es sich bei "Looksmapping" nicht um eine exakte Wissenschaft handelt, tönt er gleich selbst an. "Das Modell ist sicherlich voreingenommen. Es ist bestimmt fehlerhaft."
Gegenüber der New York Times führt Walz aus: Die Art und Weise, wie die KI Attraktivität bewerte, sei "zugegebenermaßen etwas ungenau". Sie soll willkürliche Details bevorzugt haben, um die Attraktivität zu beurteilen – wie beispielsweise, ob ein Profilbild eine Person im Hochzeitskleid zeigt (attraktiv) und ob ein Foto unscharf ist (unattraktiv). "Das Modell schaut nicht nur aufs Gesicht, es nimmt auch andere visuelle Anhaltspunkte auf", so der 22-Jährige.
Die Food-Autorin Soleil Ho kritisierte das Projekt. Der Grund dafür ist ein Blick auf die Karte von New York. Demnach scheint der Algorithmus asiatische und weiße Menschen zu bevorzugen. In ärmeren Quartieren oder solchen mit einer überwiegend schwarzen Bevölkerung, wie Teilen von Harlem oder den Bronx, sind die Attraktivitätsbewertungen schlechter.
Dass KI-Modelle jene – mitunter diskriminierenden – Annahmen aus den Datensätzen übernehmen, mit denen sie trainiert werden, ist bekannt. Erwann Millon, ein Programmierer, der sich auf KI-Bilderzeugung spezialisiert hat, erklärt gegenüber der NYT: KI-Modelle spiegelten tendenziell die Vorurteile der Menschen wider, die die künstliche Intelligenz trainiert haben.
Doch spielt die Attraktivität der Kundschaft für ein Lokal überhaupt eine Rolle? "Sie ist eine der entscheidenden Faktoren für ein erfolgreiches Gastrounternehmen – aber nicht der einzige", sagt Wirtschaftspsychologe Christian Fichter. Je attraktiver die Kundschaft eines Restaurants, desto attraktiver sei dieses auch für neue Gäste. Menschen wollten dazugehören: Looksmapping veranschauliche, "was die Menschen wirklich interessiert", so Fichter. "Dass wir an der Attraktivität der Kundschaft entscheiden, ob wir ein Lokal besuchen oder nicht, ist bedauerlich – aber so ticken wir", so der Psychologe.
Onlinebewertungen seien in unserem Konsumverhalten sehr wichtig geworden, schließt Fichter. "Das Konzept dieser Webseite ist objektiv gesehen so gut, dass ich fürchte, dass es übernommen und weltweit ausgerollt werden könnte." Der Psychologe wünschte sich jedoch, dass auf andere Faktoren als die Attraktivität geachtet würde. "Man könnte stattdessen analysieren, wie sich die Rezensenten ausdrücken – und so feststellen, in welchen Lokalen sich die interessantesten oder umgänglichsten Menschen bewegen."
Inwiefern ein Zusammenhang zwischen der Attraktivität der Kundschaft und dem Erfolg eines Betriebes bestehe, lasse sich nicht sagen. Zentrale Entscheidungskriterien blieben weiterhin die eigene Erfahrung sowie Empfehlungen aus dem persönlichen Umfeld.
Weit problematischer als solche Applikationen seien missbräuchliche Onlinebewertungen. Diese könnten gezielt das Ansehen von Unternehmen schädigen und verursachten weltweit wirtschaftliche Schäden von rund 152 Milliarden Dollar pro Jahr.